Des Teufels Maskerade
scheiterte sie grundlegend. »Ich interessiere mich ein wenig für den Automobilrennsport und da hat mich ein Bekannter vor einiger Zeit beim Grabenkorso auf Sie aufmerksam gemacht.«
Eine sichere Lüge, oder nicht? Selbst wachen Geistern fiel es beim Prager Korso mitunter schwer, sämtliche flüchtige Bekannte und fremde Gesichter in Erinnerung zu behalten.
»Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen, bevor wir beginnen?« , erkundigte sich Dr. Heller zuvorkommend. »Wer hat Sie denn an mich verwiesen, meine Herren?«
»Professor Novak«, antwortete Mirko, ehe ich eine plausible Antwort erfinden konnte.
»Novak?«, wiederholte Heller etwas ratlos. »Einerlei. Vielleicht möchte einer der Herren mir die Sachlage nun in ihren Facetten schildern?«
Ich war auf der Hut. »Erlauben Sie mir nun eine Frage: Sie scheinen sehr gut im Bilde zu sein. Woher …« Weiter kam ich nicht.
»Hören Sie«, unterbrach er mich gravitätisch. »Es ist wirklich
nicht das erste Mal, dass mich Herrschaften aufsuchen, die sich in irregulären Beziehungssituationen befinden.«
Ich sah das Grauen, das sich in Mirkos Gesicht spiegelte, und würgte ein gänzlich unangebrachtes Lachen hinunter. »Halt, halt, Dr. Heller!«, warf ich schnell ein. »Wovon reden wir?«
Er nahm sich das Brillengestell von der Nase und drehte es zwischen langen, nervigen Fingern. »Nun, ich ging davon aus, dass Sie zu mir gekommen sind, weil Sie dringenden psychiatrischen Rats bedürften.«
»Bitte – was?«, stieß Mirko entsetzt hervor.
Dr. Heller runzelte die Brauen. »Wie ich schon sagte, es geschieht recht häufig, dass Leute zu sonderbaren Uhrzeiten von den Problemen der Seele übermannt werden und meinen, nicht mehr bis zu den Ordinationsstunden warten zu können. Mir sind ein paar ruinierte Abende wesentlich lieber als ein paar Selbstmorde. Und glauben Sie nicht, dass ich mir schmeichle, wenn ich Ihnen sage, dass ich schon so manches Leben habe retten können!«
Ich nahm mir eine Zigarette aus der Dose, die am Teetisch stand. »Ein Leben retten. Ja.« Ich blies das Streichholz aus. »Erinnern Sie sich noch an den Sommer 1864?«
Dr. Heller erbleichte.
»Sie erinnern sich«, schlussfolgerte ich, nicht ohne Befriedigung.
Umständlich erhob er sich und begann, ziellos durch den Salon zu schlendern. »Es war jener Sommer, in dem mein Vater«, er holte tief Luft, »den Verstand verlor.«
Ich schloss die Augen, schalt mich einen Narren und Schlimmeres. Natürlich, sein Vater! Was auch die Frage nach seinem überraschend jungen Aussehen klärte.
»Bitte, erzählen Sie«, forderte ich ihn auf.
Er schien ein wenig irritiert, die etablierten Rollen mit einem Mal vertauscht zu sehen. Dennoch kam er meiner Bitte nach.
»Ich erinnere mich nicht sehr deutlich. Damals war ich ein Knabe von kaum zehn Jahren, und mein Verhältnis zu meinem Vater war einigermaßen getrübt.« Er seufzte schwer. »Im Winter hatte er mehrere Monate in Haft verbracht, wegen aufrührerischen Betragens. Meine Mutter hatte dennoch zu ihm gestanden. Auch, als er in jenem Sommer ein paar Tage verschwunden und gänzlich verändert wiedergekehrt war.« Er hielt in seiner Wanderung inne. »Seines unberechenbaren Verhaltens zum Trotz hatte sie sich geweigert, ihn dauerhafter medizinischer Pflege zu überantworten. Am Totenbett noch hatte ich ihr versprechen müssen, mich um Vater zu kümmern.«
»Deshalb sind Sie zu ihm in diese Wohnung gezogen. Natürlich.« Ich starrte auf die brennende Zigarette in meiner Hand. »Hielten Sie es für vertretbar, mir eine kurze Unterredung mit Herrn Heller zuzugestehen?«
»Ich muss offen zugeben, ich verstehe nicht, Baron.«
»Bitte. Leben und Tod, Sie erinnern sich?«
Es hatte einiger Anstrengungen seitens Dr. Hellers bedurft, bevor der alte Herrn geweckt und zu uns in den Salon gebracht werden konnte. Jetzt thronte der Greis in Nachtgewand und Hausmantel auf dem Kanapee, und sah abwechselnd Mirko und mich misstrauisch an.
»Was sind das für Leute, Bub?«, wandte er sich an seinen ergrauten Sohn.
Rasch wurden wir vorgestellt.
Vaclav Heller, der Ältere, schnaufte verächtlich. »Baron? Ein Baron wollen Sie sein? Ein ganz gewöhnlicher Nichtsnutz ist er«, herrschte er mich an. In vollkommen vernünftigem Tonfall setzte er hinzu: »Er muss wissen, ich kann bis auf den Grund seiner Seele schauen.«
Mirko grinste. Der Gedanke, dass ich im Grund meiner Seele
ein Schurke war, schien ihn zu erheitern. Dr. Heller raunte eine
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