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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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woraufhin Lysander, der zum Schweigen verurteilt neben mir auf der Bank lag, ärgerlich schnaufte.
    Gemächlich rumpelte der Wagen den verwaisten Kai entlang; erst als wir die Sofieninsel passierten, wandte sich Lili wieder an mich.
    »Sie verstehen mich, Baron«, sagte sie einfach.
    Überrascht sah ich auf sie nieder. Verstehen? Nein, verstanden hatte ich sie niemals, jene kuriosen Ausprägungen der Tapferkeit, die an Selbstaufgabe grenzten; wohl aber erkannte ich sie wieder. Ganz plötzlich sah ich Felix vor mir, in einer Nacht, im Umland von Mostar; Felix, der mir befahl zu fliehen, er selbst bereit, sich allein den dämonischen Kreaturen entgegenzustellen, berauscht von der Ausweglosigkeit seiner Lage.

    »Sie sind Ihrem Vater sehr ähnlich«, sagte ich unvermittelt, worauf Lysander mir den unverschämtesten aller möglichen Seitenblicke zukommen ließ.
    Lili schrak hoch und rief so jäh und laut »Vater!«, dass selbst unser Chauffeur merklich zusammenzuckte. Ich fragte mich, welche Schlüsse ein Uneingeweihter wohl aus dem Verlauf unserer Unterredung ziehen konnte, und entschied, dass er sich in jedem Fall ein lächerlich überhöhtes Trinkgeld verdient hatte.
    »Was soll ich ihm nur sagen? Und František!«, überlegte Lili laut weiter.
    Wie wenig Felix von der neuerlichen Intervention seiner Tochter halten würde, lag auf der Hand. »Wenn Sie einen Eklat vermeiden möchten«, riet ich ihr mit gesenkter Stimme, »wäre es am besten, weiterhin Stillschweigen zu bewahren. Bis wir einen Ausweg gefunden haben.«
    Und Lili lächelte und schwieg, bis wir vor dem Palais hielten. Sie verschwand grußlos.
     
     
    Schon neigte die Nacht sich ihrem Ende zu – während ich Notizen niederschrieb, um meine Gedanken zu ordnen, war Lysander selig über einem weiteren Kapitel des reichlich sentimentalen Romanfragments, an dem Pavel seit Jahr und Tag arbeitete, entschlummert –, da schlenderte Mirko in den Salon. Er trug Rotweinflecken auf der Weste und ein trunkenes Grinsen auf den Lippen, als gehöre ihm die Welt.
    »Einen schönen guten Abend, gnädiger Herr Baron«, spottete er, sobald er mich sah.
    Unter anderen Umständen hätte ich wohl die Größe besessen, seine kindischen Aufsässigkeiten als das abzutun, was sie nun einmal waren. Unglücklicherweise aber traf er mich in höchst schlechter Stimmung an, hatte ich die letzten beiden
Stunden doch damit verbracht, über unseren Fall nachzusinnen: Üblicherweise pflegten nur jene Mysterien hoffnungslos zu sein, bei denen es an Hinweisen und Anhaltspunkten mangelte. Uns hingegen hatte sich eine Fülle unterschiedlichster Indizien aufgetan, eines absonderlicher denn das andere – und dennoch war es mir unmöglich, die Mosaiksteinchen zu einem wohlgefälligen oder wenigstens ansatzweise plausiblen Bild zusammenzusetzen.
    »Wenn du mich nicht mit deinen lächerlichen Possen verschonen willst, so geh mir zumindest aus den Augen«, wies ich ihn, ohne aufzusehen an. Was Mirko, seiner üblichen Neigung zum Widerspruch folgend, als Aufforderung auffasste, sich zu mir an den Tisch zu setzen.
    Ich übte mich in Geduld. »Du weißt, dass du weder Lysander noch mir in irgendeiner Weise verpflichtet bist? Niemand hält dich hier fest.« Mechanisch ordnete ich meine Notizblätter. »Nur wäre ich dir höchst verbunden, wenn du dich diesmal wie ein gesitteter Mensch verabschieden würdest und anstelle meiner Tagebücher deine Besitztümer mitnehmen könntest.«
    Er antwortete mir nicht; stattdessen zog er ein zerknittertes Stückchen Papier aus der Tasche seines unerfreulichen Jacketts, das sich bei näherer Betrachtung als Flugblatt einer studentischen Vereinigung mit dem wenig einfallsreichen Namen »Bohemia« herausstellte. Diese lud »jeden Donnerstag ab neun zur Diskussion aktueller Ereignisse« in ein mir unbekanntes Kaffeehaus. Auf den oberen Rand des Flugblatts hatte jemand mit Bleistift und ohne erkennbares Talent ein Tier gezeichnet, welches nur sein buschiger Schwanz als Fuchs auswies.
    »Woher?«, fragte ich knapp.
    »Selbst gemacht«, zerschlug er meine Hoffnungen. »Den ganzen Abend bin ich von Studentenlokal zu Studentenlokal gewandert und hab’ überall Füchse hinterlassen. Füchse, die ich am Nachmittag gezeichnet habe: Füchse auf Flugblättern,
Füchse auf Rechnungen, Füchse auf Zeitschriften, Füchse auf Besetzungslisten.« Er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst. »Vielleicht taucht irgendein Eingeweihter auf, der das Zeichen erkennt und zu mir in Kontakt

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