Des Teufels Novize
das Mädchen mit honigsüßer, verhangener Stimme. Sie hob die blauen Augen zu Cadfaels Gesicht. »Wir alle hier waren viele Jahre Spielgefährten«, sagte sie, gewiß aufrichtig. »Und ich darf sicher von Liebe sprechen, denn ich werde bald seine Schwester sein.«
»Roswitha und ich werden im Dezember in der Abtei heiraten«, sagte Nigel und nahm wieder ihre Hand.
»Ich werde mit Freude Eure Botschaften übermitteln«, sagte Cadfael, »und ich wünsche Euch allen Segen für den großen Tag.«
Auf ein leichtes Schütteln des Zaumzeugs setzte sich das Maultier ergeben in Bewegung. Cadfael ritt an ihnen vorbei; doch sein Blick ruhte immer noch auf dem Mädchen Roswitha, deren tiefe blaue Augen sich vor ihm öffneten wie ein Sommerhimmel. Sie verabschiedete ihn mit einem feinen Lächeln, und in ihren Augen flammte ein kleiner, zufriedener Blitz auf. Sie wußte, daß er nicht anders konnte, als sie zu bewundern, und selbst die Bewunderung eines ältlichen Mönches war ihr eine Befriedigung. Gewiß hatte sie sich in Meriets Gegenwart ähnlich verhalten; unauffällig und doch sehr bewußt, im Wissen, daß er sie wohl bemerkte – ein Spinnennetz, in dem sich eine unerwünschte Fliege verfangen hatte.
Er mußte sich beherrschen, um sich nicht umzusehen, denn es schien ihm, daß sie zuversichtlich genau darauf wartete.
Hinter den Feldern, am Rand des Gebüsches und dicht neben dem Weg, stand ein steinerner Schafpferch, und auf der unregelmäßigen Mauer saß jemand mit baumelnden, gekreuzten Unterschenkeln und kleinen nackten Füßen, eine Handvoll später Haselnüsse im Schoß, die sie mit den Zähnen knackte, um die Bruchstücke der Schalen ins lange Gras fallen zu lassen. Aus der Ferne war Cadfael unsicher gewesen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, denn ihr Rock war bis zum Knie gefältelt. Ihr Haar war so kurz geschnitten, daß es frei über den Schultern pendelte, und ihr Kleid war von der braunen, selbstgewebten Sorte, wie sie hier auf dem Land üblich war.
Doch als er näher kam, wurde klar, daß sie ein Mädchen war; und noch mehr, sie schien eifrig damit beschäftigt, eine Frau zu werden. Unter dem eng sitzenden Oberkleid waren bereits hohe, feste Brüste sichtbar, und trotz ihrer Schlankheit hatte sie die ausladenden Hüften, die ihr eines Tages das Gebären natürlich und leicht machen würden. Sechzehn, dachte er, so alt mochte sie sein. Doch am seltsamsten schien, daß sie ihn erwartete und ihm entgegenblickte; denn als er auf sie zuritt, drehte sie sich auf ihrem Hochsitz um und grüßte ihn mit einem vertraulichen, freundlichen Lächeln. Als er nahe heran war, glitt sie von der Mauer, streifte die letzten Nußschalen aus dem Schoß und schüttelte ihre Röcke mit den energischen Bewegungen eines Menschen ab, der etwas im Sinn hat.
»Mein Herr, ich muß mit Euch reden«, sagte sie entschlossen, indem sie eine schlanke braune Hand zum Hals des Maultiers hob. »Würdet Ihr absteigen und Euch zu mir setzen?« Sie hatte noch das Gesicht eines Kindes, doch die Frau begann durchzuscheinen und streifte die Kinderhaut ab, um die feinen Linien ihrer Wangenknochen und ihres Kinns ans Licht zu bringen. Sie war fast so braun wie ihre Nußschalen, mit einer warmen, rosenroten Schicht unter der gebräunten, glatten Haut und einem rosenroten Mund, der geschwungen war wie die Blütenblätter einer halbgeöffneten Rose. Die kurze, dicke Mähne ihres gelockten Haars war von einem satten Kastanienbraun, und ihre Augen waren eine Schattierung dunkler, mit schwarzen Wimpern. Gewiß nicht die Tochter eines Pächters, selbst wenn sie lieber in schlichten Kleidern und ohne Schmuck ging. Sie wußte, daß sie eine Thronfolgerin war, und erwartete, entsprechend angeredet zu werden.
»Das will ich, und mit Freude«, sagte Cadfael sofort und tat es. Sie trat einen Schritt zurück und legte den Kopf zur Seite; anscheinend hatte sie eine so entgegenkommende Antwort kaum erwartet, nachdem sie um keine Erklärung gebeten wurde und auch keine gegeben hatte; und als er auf einer Höhe mit ihr stand, kaum einen halben Kopf größer, entschloß sie sich plötzlich und lächelte ihn strahlend an.
»Ich glaube wohl, daß wir zwei gut miteinander reden können. Ihr stellt keine Fragen, obwohl Ihr mich gar nicht kennt.«
»Ich glaube doch, daß ich Euch kenne«, sagte Cadfael, während er das Zaumzeug seines Maultiers an einen Bügel in der Steinwand band. »Ihr könnt niemand anders als Isouda Foriet sein. Denn alle anderen habe ich
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