Des Teufels Novize
Lampenlicht zehn Tage zwischen engen Steinwänden gehockt hatte. Sein Gesicht war verschlossen und still, doch seine Augen verschlangen hungrig Farben und Bewegungen. Vom Torhaus bis zum Spital von St. Giles war es kaum eine halbe Meile weit; es ging an der Außenmauer der Abtei vorbei, weiter durchs offene Grün des Pferdemarktes und die gerade Straße zwischen den Häusern der Klostersiedlung hinunter, bis sie sich zwischen Bäumen und Gärten verlief und sich im offenen Land verlor. Dann kamen auf einem kleinen Hügel links neben der Straße an einer Weggabelung das niedrige Dach des Spitals und der gedrungene Turm der Kapelle in Sicht.
Meriet beäugte den Ort im Näherkommen mit Interesse, doch ohne sonderlichen Eifer; er sah einfach die Aufgabe, die ihm übertragen war.
»Wie viele Kranke können hier aufgenommen werden?«
»Es können bis zu fünfundzwanzig sein, doch die Zahl schwankt. Einige ziehen von Spital zu Spital und bleiben nirgends lange. Manche kommen zu krank her, um weiterzugehen. Der Tod lichtet ihre Reihen, und Neuankömmlinge füllen die Lücken wieder. Hast du keine Angst, dich anzustecken?«
Meriet sagte: »Nein«, und es klang so gleichgültig, als hätte er gesagt: »Warum sollte ich mich anstecken? Was könnte mir eine Krankheit anhaben?«
»Hat Bruder Mark die Leitung inne?« fragte er.
»Ein Laienbruder, der in der Klostersiedlung wohnt, ist sein Unteraufseher. Er ist ein grundanständiger Mann und ein guter Verwalter. Und es gibt noch zwei weitere Helfer. Doch Mark kümmert sich um die chronisch Kranken. Wenn du willst, kannst du ihm eine große Hilfe sein«, sagte Cadfael, »denn er ist kaum älter als du, und deine Gesellschaft wird ihm sehr willkommen sein. Mark war im Herbarium meine rechte Hand und mein Trost, bis er den Ruf hörte, der ihn hierher führte, wo er sich um die Armen und Ausgestoßenen kümmern kann; und zweifellos werde ich ihn nie wieder zurückgewinnen, denn er hat hier immer eine arme Seele, die er nicht alleinlassen kann, und wenn er eine verliert, findet er eine andere.«
Er unterließ es klugerweise, seinen Lieblingsschüler über die Maßen zu loben; doch als sie den sanften Hang zum Spital hinaufgestiegen, durch den geflochtenen Zaun auf die Veranda getreten und Bruder Mark an seinem kleinen Schreibtisch gefunden hatten, war Meriet überrascht. Mark saß mit gerunzelter Stirn über Rechnungen, und seine Lippen formten stumme Zahlen, die er auf Pergament notierte. Seine Feder mußte dringend geschärft werden, und er hatte erfolgreich seine Finger mit Tinte verschmiert; und durch das verwirrte Kratzen seines stachligen, strohfarbenen Haarkranzes hatte er Schmierflecken auf Augenbrauen und Schädeldach hinterlassen. Von kleinem Wuchs, zierlich und mit offenem Gesicht, in seiner Kindheit selbst ein vernachlässigtes armes Ding, blickte er auf, als sie durch die Tür traten, und zeigte ihnen ein so entwaffnendes Lächeln, daß Meriets fest geschlossener Mund genau wie seine beherrschten Augen weit aufging. Meriet stand tief verwundert da und starrte fassungslos, als Cadfael ihn vorstellte. Dieser kleine, zerbrechliche Kerl, mager wie ein Sechzehnjähriger, wie ein hungriger Sechzehnjähriger, beaufsichtigte zwanzig oder mehr kranke, verstümmelte, arme, verlauste Menschen!
»Ich habe Euch Bruder Meriet mitgebracht«, sagte Cadfael, »und dazu einen Ranzen mit Arzneien. Er wird eine Weile bei Euch bleiben, um die Arbeit hier zu lernen, und Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß er alles tut, was Ihr ihm auftragt. Gebt ihm eine Ecke und ein Bett, während ich Euren Schrank auffülle. Und dann sagt mir, ob Ihr sonst noch etwas braucht.«
Er kannte sich hier aus. Er ließ die beiden einander betrachten und vorsichtig nach Worten suchen. Unterdessen schloß er das Vorratslager auf, in dessen Regalen er die Arzneien verstaute. Er hatte es nicht eilig; diese beiden, so verschieden sie auch sein mochten – der eine Sohn eines Herrn von zwei Gütern, der andere Waise eines kleinen Pächters –, waren ihm wie Seelenverwandte erschienen. Beide im gleichen Alter vernachlässigt und verachtet, mit soviel Wärme und Demut auf der einen und soviel impulsiver Großmütigkeit auf der anderen Seite – wie konnten sie anders, als zueinander finden?
Als er seinen Ranzen ausgeladen und sich eingeprägt hatte, welche Stellen in den Regalen leer geblieben waren, ging er zu den beiden hinaus und folgte ihnen in kurzem Abstand, als Mark seinen neuen Helfer durch Spital und
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