Des Teufels Novize
Kapelle und Friedhof führte und zu dem geschützten kleinen Obstgarten, in dem einige der körperlich weniger Elenden einen Teil des Tages sitzend verbrachten, um in den Genuß der frischen Luft zu kommen. Ein Haushalt armer und hilfloser Männer, Frauen, sogar Kinder; Verstoßene oder Waisen, von Hautkrankheiten entstellt, von Unfällen, Lepra und Wechselfieber gezeichnet; und dazu ein Trupp halbwegs gesunder Bettler, denen nur etwas Land, die Geschicklichkeit und ein vernünftiges Haus und die Mittel fehlten, ihr Brot zu verdienen. In Wales, dachte Cadfael, waren diese Dinge besser geregelt – nicht durch milde Gaben, sondern durch Blutsverwandtschaft. Wenn ein Mann zu einer Sippe gehört, wer könnte ihn dann von ihr trennen? Sie erkennt ihn an und unterstützt ihn und wird nicht zulassen, daß er aus Not ausgestoßen wird oder stirbt. Und doch ist in Wales der Ausländer ohne eine solche Sippe ein Mann, der sich allein gegen die ganze Welt stellt. Genau wie diese entsprungenen Diener, verarmten Pächter und verkrüppelten Arbeiter, die hinausgeworfen wurden, als sie ihre Arbeitskraft verloren hatten. Und die armen, traurigen, heimatlosen Frauen, manche mit Kindern am Rockschoß, deren Väter sich davongemacht hatten oder gar tot waren.
Er ließ die beiden gehen und entfernte sich rasch mit leerem Ranzen und voll überschwenglicher Zuversicht. Es war nicht nötig, Mark die Geschichte seines neuen Bruders zu erzählen; sollten sie ineinander finden, was sie finden konnten – in reiner Brüderlichkeit, falls dieser Begriff wirklich eine Bedeutung hatte.
Sollte Mark sich selbst ein unvoreingenommenes, unbeeinflußtes Urteil bilden, dachte Cadfael, und in einer Woche können wir vielleicht etwas Positives über Meriet erfahren, das nicht durch Mitleid gefärbt ist.
Als er sich ein letztes Mal umsah, standen die beiden im kleinen Obstgarten, in dem Kinder spielten; vier, die rennen konnten, eines, das mit einer einzigen Krücke herumhumpelte, und eines, das mit neun Jahren wie ein kleiner Hund auf allen Vieren herumkriechen mußte, nachdem es in einem schlimmen Winter einen Frostbrand bekommen hatte. Als er Meriet durch die kleine Einfriedung führte, hielt Mark den Kleinsten an der Hand. Meriet hatte sich nicht gegen solche Schrecken wappnen können, doch zumindest erzeugten sie in ihm keine Abscheu.
Er bückte sich, um dem Hunde-Jungen, der um seine Beine krabbelte, eine Hand zu reichen, und als der Junge nicht aufstehen konnte und es folglich auch gar nicht erst versuchte, nahm er ihn nicht wie ein Kleinkind auf den Arm, sondern hockte sich gelenkig auf die Hacken, damit er auf einer Höhe mit dem Kind war, und hörte dem Armen aufmerksam zu.
Es war genug. Cadfael ging zufrieden davon und überließ die beiden sich selbst.
Er ließ sie einige Tage in Ruhe und fand dann einen Vorwand, mit Bruder Mark ein vertrauliches Wort zu wechseln, indem er vorbrachte, sich um das hartnäckige Geschwür eines der Bettler kümmern zu müssen. Kein Wort wurde über Meriet gesprochen, bis Mark Cadfael zum Tor hinaus und ein Stück die Straße hinunter zur Abtei begleitete.
»Wie macht sich Euer neuer Gehilfe?« fragte Cadfael in dem unverfänglichen Ton, mit dem er auch nach einem anderen Anfänger gefragt hätte, der hier zur Probe war.
»Sehr gut«, erwiderte Mark fröhlich und ohne Argwohn.
»Bereit, bis zum Umfallen zu arbeiten, wenn ich ihn ließe.« Das war natürlich kaum überraschend; es war der Versuch, wenigstens zu verdrängen, was er schon nicht ungeschehen machen konnte. »Er versteht sich auf Kinder. Sie folgen ihm und nehmen, wann immer sie können, seine Hand.« Ja, auch das war zu erwarten gewesen. Kinder stellten keine Fragen, auf die er nicht antworten konnte, und schätzten ihn nicht ab, wie es erwachsene Männer getan hätten; sie vertrauten ihm, und wenn sie ihn mochten, dann hängten sie sich an ihn. Bei ihnen mußte er nicht ständig auf der Hut sein. »Und er zuckt auch vor den schlimmsten Entstellungen und den widerwärtigsten Pflichten nicht zurück«, sagte Mark, »obwohl er nicht wie ich an sie gewöhnt ist; und ich weiß, daß er leidet.«
»Das ist auch nötig«, sagte Cadfael einfach. »Wenn er nicht leidet, ist er hier nicht am rechten Ort. Bloß Freundlichkeit ist nur die halbe Pflicht eines Mannes, der die Kranken versorgt.
Wie ist er zu Euch? Spricht er von sich?«
»Nie«, sagte Mark und lächelte, und er schien nicht überrascht, daß es so war. »Es gibt nichts, das er jetzt
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