Des Teufels Novize
Falte, den Schnitt der Ärmel und den Sitz der Taille zu betrachten und sich zu überlegen, ob es nicht doch besser sei, den vergoldeten Gürtel etwas enger zu schnallen.
Isouda streifte ruhelos durch die Kammer und antwortete munter auf Roswithas verträumte Kommentare und Fragen. Sie hatten die mit Leder ausgeschlagenen Kisten mit ihren Siebensachen an einer Wand gestapelt, und die kleinen Dinge, die sie herausgenommen hatten, waren überall verteilt – auf dem Bett, auf dem Tisch und dem Schrank. Die kleine Kiste mit Roswithas Juwelen stand neben der spuckenden Lampe auf dem Wäscheschränkchen. Isouda steckte müßig eine Hand hinein und nahm Schmuckstück auf Schmuckstück heraus. Sie hielt nicht viel von solchem Flitterzeug.
»Würdest du die gelben Bernsteine tragen?« fragte Roswitha. »Meinst du, sie passen zu dem Goldfaden im Gürtel?«
Isouda hielt die bernsteingelben Steine ins Licht und ließ sie behutsam durch ihre Finger gleiten. »Sie würden gut passen.
Aber laß mich mal sehen, was du sonst noch hast. Du hast sie mir noch nie alle gezeigt.« Sie wühlte neugierig in den Steinen herum, bis sie gefärbtes Email freilegte und vom Boden der Kiste eine große Spange von der alten Art – ein Ring mit einer Nadel – hervorzog. Der Ring bildete mit seiner breiten, flachen Fassung und den kunstvollen goldenen Filigranornamenten einen wundervollen Rahmen für das Email; bei näherem Betrachten sah man, daß die Ornamente schlanke, sich windende Tiere darstellten, die sich in verflochtene Ranken verwandelten, die sich wiederum in zwei Schlangen verwandelten. Die Nadel war aus Silber, trug einen wie ein Diamant geformten Kopf mit einer Blume aus Email und war vom Ring aus, der ihre Handfläche fast ausfüllte, länger als ihr Finger. Der Schmuck eines Prinzen, gemacht, um die schweren Falten eines Männermantels zu halten. Sie hatte begonnen:
»Das habe ich aber noch nie gesehen…« bevor sie es herausgeholt hatte und es deutlich sah. Doch sie unterbrach sich, und das plötzliche Schweigen ließ Roswitha aufblicken.
Sie erhob sich rasch und steckte selbst die Hand in die Kiste, um die Spange außer Sicht auf den Boden zu schieben.
»O nein, nicht das«, sagte sie mit einer Grimasse. »Es ist zu schwer und so altmodisch. Leg alles wieder zurück. Ich brauche nur die gelbe Halskette und die silbernen Haarspangen.« Sie klappte energisch den Deckel zu und zog Isouda zum Bett zurück, wo das Hochzeitskleidsorgfältig ausgebreitet lag. »Sieh mal her, in der Stickerei sind ein paar Stiche ausgefranst.
Könntest du sie nachnähen? Du kannst besser mit der Nadel umgehen als ich.«
Isouda setzte sich gelassen aufs Bett, tat mit ruhiger Hand, worum sie gebeten worden war, und versagte sich weitere Blicke zu der Kiste, in der die Spange war. Doch kurz vor der Komplet riß sie den Faden nach dem letzten Stich ab, legte ihr Werk beiseite und erklärte, daß sie am Gottesdienst teilnehmen wollte. Roswitha, die sich bereits müde auskleidete, um zu Bett zu gehen, widersprach nicht und machte keine Anstalten, ihr zu folgen.
Bruder Cadfael verließ die Kirche nach der Komplet durch die Südpforte, denn er wollte noch einmal kurz in seine Hütte sehen, ob die Kohlenpfanne, die Bruder Oswin benutzt hatte, auch gelöscht war und ob alle Gefäße zugestöpselt und die Tür geschlossen war, um die restliche Wärme festzuhalten. Die Nacht war sternenklar und bitterkalt, und er brauchte kein zusätzliches Licht, um den vertrauten Weg zu gehen. Doch er hatte gerade den Bogengang vor dem Hof erreicht, als er drängend am Ärmel gezupft wurde und ihm eine atemlose Stimme ins Ohr flüsterte: »Bruder Cadfael, ich muß mit Euch reden!«
»Isouda! Was ist los? Ist etwas geschehen?« Er zog sie in eine Lesenische der Schreibstube; dort würde sie niemand stören, und in der Dunkelheit der hintersten Ecke waren sie unsichtbar. Ihr Gesicht an seiner Schulter schien aufgeregt, ein bleiches Oval über ihrem dunklen Mantel.
»Das kann man wohl sagen! Ihr sagtet doch, ich würde die Donnerschläge loslassen«, flüsterte sie ihm hastig und leise ins Ohr. »Ich habe in Roswithas Juwelenkästchen etwas gefunden.
Auf dem Boden versteckt. Eine große Ringbrosche, sehr alt und schön, aus Gold und Silber und Email; die Sorte, die Männer trugen, bevor die Normannen kamen. So groß wie meine Hand – mit einer langen Nadel. Als sie sah, was ich da hatte, kam sie sofort und warf es wieder in die Kiste und schloß den Deckel und sagte,
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