Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Nönnlein und möchte bestimmt noch den einen oder anderen Spaß in ihrem Leben haben.«
Solche Äußerungen überhörte Anna immer geflissentlich, sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit und war erstaunt, mit welcher Tapferkeit Therese, die ihre Augen wieder geöffnet hatte, die schmerzen des Zunähens ertrug. selbst als Anna die frische Naht mit Branntwein betupfte, verzog die junge Mutter nicht einmal das Gesicht.
Erst um Mitternacht war alles erledigt, und nun konnte auch der alte Mergel hinzugerufen werden, welcher mittlerweile das Ochsengespann und sämtliches Handgepäck durch tiefen schlamm, der einst ein Acker gewesen war, an den Schuppen herangeschleppt hatte.
»Zur sicherheit«, hatte er sich Liese gegenüber gerechtfertigt. »Denn über den Weg kommt doch noch einiges Pack gezogen, und da war der eine oder andere dabei, dem ich zugetraut hätte, dass er mir die Kehle durchschneidet und uns unsere ganze Habe stiehlt. Da, wo jetzt alles steht, kann man es vom Weg aus nicht sehen.«
Hans Mergel war von Lumpenliese bereits eingeweiht, dass das Kindlein, welches Therese stolz in den Armen hielt, keinem gewöhnlichen Säugling glich. Ähnlich wie Anna, so dachte auch Mergel sogleich an ein böses Omen und wollte damit beginnen, Liese von sämtlichen Monstergeburten der letzten Jahre und den Folgen, die diese nach sich gezogen hätten, zu berichten, als diese ihm jäh das Wort abschnitt.
»Solche wie du, die bringen unschuldigen Menschen den Flammentod. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du an so etwas glaubst. schlimmer als Anna bist du. Bei ihr ist das ihre falsche Frömmigkeit, aber bei dir ist es nichts als Sensationsgier, die dich solche Schauergeschichten glauben lässt. Komm jetzt mit herein und schau dir an, wie sehr Therese das Kleine liebt! sie hat nicht einmal bemerkt, dass es missgebildet ist. Und wenn ich ehrlich bin: Jetzt, wo es nicht mehr so blau ist, finde auch ich es ganz niedlich. Das ist doch kein Monster, welches die Menschen in Angst und schrecken versetzt und ihnen Unheil verkünden soll. Es ist ein kleines unschuldiges Wesen, das nichts, aber rein gar nichts dafür kann, dass es nicht so ist wie alle anderen.«
Liese hatte ihren beiden abergläubischen Begleitern gehörig den Kopf gewaschen, und so trauten sich weder Anna noch Hans Mergel, auch nur ein weiteres Wort über Thereses Kind zu verlieren.
Am nächsten Morgen machten sie sich schließlich daran, sich ein wenig gemütlicher in ihrer Notherberge einzurichten. Der Regen hatte nachgelassen, und das Wetter erlaubte es, die blutigen Tücher zu waschen, Brennholz zu suchen und der Wöchnerin und ihrem Neugeborenen die nächsten Tage so erholsam wie möglich zu gestalten.
Sosehr Liese nach der Geburt des Mädchens Feingefühl und Menschlichkeit bewiesen hatte, so sehr kostete es nun wiederum Anna Geduld und Überredungskunst, die Marketenderin davon zu überzeugen, dass Therese noch zu schwach sei, um sich wieder auf den Weg zu machen. In dieser Hinsicht war Liese unerbittlich, doch letztendlich gab sie wieder nach und stellte sich darauf ein, zusammen mit ihren Freunden eine ganze Woche in der gottverlassenen Hütte zu verbringen.
Obwohl Therese ihr Kind über alles liebte und obwohl es bereits in der Nacht seiner Geburt damit begonnen hatte, an der Brust seiner Mutter zu saugen, so war es nicht zu verhindern, dass die Kleine den dritten Tag ihres kurzen Lebens nicht überstand. Lieb wie ein Engelchen war sie nach einer ausgiebigen Mahlzeit eingeschlummert und danach nicht wieder erwacht.
Therese weinte bitterliche Tränen und verfiel immer wieder in einen hysterischen Anfall. Sie wollte den toten Körper des geliebten Kindes nicht hergeben, und Liese musste schließlich Gewalt anwenden, um ihn ihr zu entreißen. Anna war bestürzt und rang selbst mit den Tränen, so sehr rührte sie die entsetzliche szene. Es hatte einen Tag und eine Nacht gedauert, bis Therese die kleine Leiche unfreiwillig aus ihren Armen gab. Liese und Mergel hielten die Rasende fest, während Anna das Kindlein wusch, ihm sogar das dichte schwarze Haar kämmte und es in ein buntes Tuch wickelte, welches Liese edelmütig gespendet hatte.
Während Mergel bei Therese blieb, die erschöpft in einen tiefen schlaf gefallen war, machten sich die beiden Frauen gegen Abend auf den Weg, den toten säugling zu begraben.
Am Vorabend hatte es ganz plötzlich zu frieren begonnen, und der vom Regen durchtränkte Boden war steinhart geworden. Selbst tagsüber war
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