Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um ihr zu helfen. Er riet ihr immer wieder, nicht die Flucht zu ergreifen und sich damit erst recht verdächtig zu machen. Dann, so prophezeite er ihr, werde man sie sicherlich aufspüren, und die Katastrophe wäre unvermeidbar. Liese blieb, jedoch nicht, um dem Rat des von ihr mit wachsender Geringschätzung betrachteten Pastors zu folgen, sondern eben wegen ihres Stolzes, der sich ihrer voll und ganz bemächtigte und den nach außen zu tragen sie sich nicht scheute. Was die situation für sie und ihre drei Begleiter nicht einfacher machte.
Und so wartete also auch die kleine Gruppe, wartete auf die Fortsetzung des Krieges, wartete darauf, dass dann die Menschen um sie herum wieder auf andere Gedanken kamen, wartete mit Bangen auf den nächsten Mord und wartete auf Thereses Niederkunft.
»Komm schon, Treschen, so schnell sind wir nicht unterwegs, muss auch mit deinem dicken Bauch vorwärtsgehen.« Liese versuchte die mittlerweile um die Hüfte kugelrunde, aber sonst spindeldürre Therese anzutreiben, die während des gesamten Tagesmarsches, der an diesem verregneten Nachmittag bereits acht stunden dauerte, Schwierigkeiten hatte, mit den anderen Schritt zu halten.
Liese hatte in ihrem Leben als Geschäftsfrau viele Erfahrungen gemacht, doch eine fehlte ihr: das Kinderkriegen. Nicht, dass sie niemals Bekanntschaften mit Männern gemacht hätte – nein, sie waren durchaus zahlreich gewesen -, doch Konsequenzen hatte es daraus nie gegeben.
»Bin als Knospe sofort vertrocknet, anders kann ich es mir nicht erklären«, hatte sie einmal nicht ohne Selbstironie erzählt, und es war spürbar gewesen, dass sie es nicht bedauerte, niemals ein Kindlein im Arm gehalten zu haben. So konnte sie auch nicht das geringste Gespür dafür aufbringen, wie es der armen Therese gerade ging. Diese war ihren Umständen entsprechend noch erstaunlich gut unterwegs, hatte jedoch langsam den Zenit ihres Durchhaltevermögens erreicht, denn die Wehen machten sich bereits seit drei Stunden immer wieder schmerzhaft bemerkbar.
Da Anna ebenfalls niemals geboren hatte und nie bei der Geburt eines Menschenkindes zugegen gewesen war, erkannte auch sie den Zustand des Mädchens nicht. Von Hans Mergel, als einem alten und dennoch in menschlichen Dingen erstaunlich unbewanderten Mann, ganz zu schweigen.
Es war eine von den Trossfrauen, die hinter der Gruppe marschierten, die schließlich das Schweigen gegenüber den Geächteten brach und rief: »Ja, merkt ihr denn gar nicht, dass es da losgeht?«
Therese schleppte sich noch immer tapfer vorwärts, obwohl sie nicht nur vom Regen, sondern auch bereits von ihrer geplatzten Fruchtblase vollkommen durchnässt war.
»Treschen, warum sagst du denn nichts? Hans, du musst schnell nach Grete Schuller suchen, der Hebamme, die Dicke mit den Schweinsäuglein. Du weißt schon, die, die dem Fähnrich Päffgen mal eine gescheuert hat. Geh, schnell, ich weiß doch nicht, wie so was hier funktioniert, und die arme Anna schaut auch schon ganz verloren. Oder hast du Ahnung davon, Anna?«
»Vom Kalben, da versteh ich was. Und ein Fohlen habe ich auch schon mal ans Tageslicht befördert, aber ein Menschlein nie.«
Hans Mergel machte sich auf die Suche nach der Hebamme, während die drei Frauen am Wegesrand zurückblieben. Sie hockten da im Regen, Anna hielt Therese im Arm, und Liese hielt den teils verächtlichen und teils verlegenen Blicken derer stand, die schweigend an ihnen vorüberzogen. Es waren zahllose bekannte Gesichter darunter, solche von Trunkenbolden, die früher gerne einen in Lieses provisorischer Schenke gehoben oder von Frauen, die so manches Duftwässerchen oder stiefelchen bei ihr gekauft hatten. Doch all diese wollten nun nichts mehr mit ihr zu tun haben, sie hatten sich aus irgendeinem Grund gegen sie verschworen. Und Liese vermutete – ja sie vermutete es, sprach es aber nie aus -, dass eine bestimmte Person all das gezielt in die Wege geleitet hatte. Doch den Grund dafür, den konnte sie sich nicht erklären.
Es dauerte mehr als eine Stunde, bis der alte Mergel zurückkam. »Sie weigert sich, hat mich fortgejagt und einen Lumpen geschimpft. Solch einem Wechselbalg werde sie nicht auf die Welt helfen. Wolle nicht in der Hölle landen.«
Mittlerweile zog der klägliche Rest des Trosses, bestehend aus betrunkenen Tagedieben, Spielleuten und Possenhauern, an ihnen vorbei. Diese wenigstens, der Abschaum eines ohnehin nicht gerade friedlichen
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