Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Schatten nun vor Anna angekommen war. Diese wusste nicht, was sie auf eine solche Frage antworten sollte, und schwieg, was der Fremde dazu nutzte, sie an den Armen zu fassen und an sich heranzuziehen.
»Ah, du bist die Junge. Wie finden wir jetzt hier heraus? Ich muss spätestens im Morgengrauen weiterziehen und benötige dazu einen halbwegs brauchbaren Gaul. Diese verdammten Hurensöhne, dreckige strauchdiebe und Heckenkrieger! Aufknüpfen sollte man sie allesamt, an den nächsten Baum hängen und elendig verrecken lassen.«
All das sagte er, während er Anna weiterhin an beiden Armen festhielt, was ihr in Anbetracht seiner derben schimpfereien und der Tatsache, dass er vorhatte, Menschen an Bäumen aufzuhängen, äußerst unangenehm war.
Bei dem Schimpfenden handelte es sich um Andreas Moosberger, seines Zeichens Emporkömmling im Ligaheer des Kurfürsten Maximilian von Bayern. Als Sohn eines armen bayerischen Bergbauern geboren, hatte er es durch Geschick und Schlauheit geschafft, die Position eines Leutnants zu erringen, und war nun dazu erkoren, für den Kurfürsten auszukundschaften, wo sich die Regimenter des verhassten Wallenstein aufhielten, wie groß sie waren und in welchen Teil Deutschlands es sie zog. Auf seinem Weg durch Westfalen war er offensichtlich einer Handvoll harmloser Schnapphähne aufgefallen, die sich an seine Fersen, oder besser an die Hufe seines nun verendeten Pferdes, geheftet und ihn, in der Erwartung, Reichtümer zu finden, überfallen wollten – just in dem Moment, als dieser mit Anna und Liese sprach.
Moosberger war ein Mann, den die Frauen liebten und der die Frauen liebte, ohne sie jedoch zu achten. Er verstand es aufgrund seines angenehmen Erscheinungsbildes und seines von anderen abgeschauten guten Benehmens, weibliche Herzen zu erobern, zu brechen – und pflegte dann wieder zu verschwinden. Jedoch war er immer klug genug, Skandale zu vermeiden, und konnte es geschickt verhindern, dass sein Ruf als militärischer und diplomatischer Aufsteiger geschädigt wurde. Denn auch ein Mann konnte an Ansehen verlieren, wenn sein Können auf das des Herzensbrechers reduziert wurde.
Kurz: Moosberger benötigte in Liebesdingen Abwechslung, und die verschaffte er sich mit Vorliebe bei Bauersfrauen, denn immerhin entstammte er dieser Schicht und kannte sich aus. Und daneben waren diese in zweierlei Hinsicht ungefährlich. Zum einen konnten sie einen, wenn man sie verließ, nicht in Schwierigkeiten bringen, wie etwa ein entjungfertes Edelfräulein. Und zum anderen waren sie selten krank, wie die zahlreichen Trosshuren, die einen mit den unangenehmsten, juckenden und übel riechenden Flechten versehen konnten, wenn man ihnen zu nahe kam. Moosberger verabscheute diese Frauen, doch manches Mal blieb einem nichts anderes übrig, als ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, denn nicht immer war ein nettes Bauernmädchen zur stelle.
Hier im Wald war das nun anders. Vor ihm stand die zitternde Anna. Zwar war sie nicht mehr ganz so jung – das war ihm nicht entgangen -, doch unappetitlich war sie nicht, soweit er das in der Dunkelheit ausmachen konnte. Ihrer ganzen Erscheinung und ihrem schüchternen Auftreten zufolge war sie noch recht unverdorben und eindeutig ein Landmädchen, das erst kürzlich zum Heer gestoßen war. Anna schien ein leichtes Opfer zu sein.
»Dort hinten ist es heller, da müsste der Wald zu Ende sein. Komm mit. Die andere kannst du morgen suchen. Wahrscheinlich haben die Wegelagerer sie erwischt. Werden schon noch etwas von ihr übrig lassen.«
Der Fremde zog Anna hinter sich her. Er war in den bayerischen Bergen groß geworden und trotz seines nun edel anmutenden Äußeren ein Kind der Natur, das sich nach wie vor sehr gut in der Wildnis zurechtfand. Und so machte er sich auch keine sorgen, heil aus dem kalten Wald herauszufinden und ein mauscheliges Örtchen auszukundschaften, an dem er es sich zusammen mit der Bauersfrau gemütlich machen konnte.
Anna war nicht arglos, was diesen Mann betraf. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass er etwas im Schilde führte, und noch war sie unentschlossen, wie sie reagieren würde, wenn er sich ihr in eindeutiger Absicht näherte. Hier im Wald war es definitiv zu kalt zu dieser Jahreszeit, es war dunkel, und irgendwo konnten immer noch die strauchdiebe herumlungern. Er wäre verrückt, sollte er hier über sie herfallen wollen. Früher, da war sie sich sicher, hätte sie sich einfach dem Schicksal ergeben und alles über sich ergehen
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