Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
sich mit einem Mal völlig verändert hatte, forderte sie ununterbrochen auf zu pressen. Sie hielt beide Beine der Gebärenden mit aller Gewalt auseinander und gebot ihr immer und immer wieder, nicht aufzugeben. Als Liese zurückkam, war Thereses Unterleib noch weiter geöffnet, und Anna konnte immer mehr von dem dichten schwarzen Haar des Säuglings erkennen, doch der Kopf steckte weiterhin fest.
»Leg dich auf ihre Brust und drück mit aller Kraft von oben auf den Bauch, aber erst, wenn ich es dir sage«, befahl Anna der staunenden Liese in einem Ton, den diese dem schüchternen Geschöpf niemals zugetraut hätte. Sodann machte sich Anna an den Schnitt. Mit einem Geräusch, als hätte sie einen Ledergürtel auf einmal in zwei Hälften geteilt, öffnete sich der Unterleib der leidenden Therese, und das Kind drückte sich weiter hinaus. Doch obwohl sich das Loch, auf welches Anna starrte, bereits unmenschlich vergrößert hatte, passte der Kopf noch immer nicht hindurch.
»Jetzt pressen. Alle beide!«, schrie Anna. Und sowohl Therese als auch Liese begannen, mit aller Kraft zu drücken und zu schieben. Mehr als eine halbe stunde dauerte dieser Vorgang, und Anna glaubte schon nicht mehr, dass Mutter und Kind die strapazen überleben würden. Doch dann rutschte wie ein großer, nasser Fisch plötzlich das Neugeborene aus Therese, die, von der unglaublichen Last befreit, plötzlich die Augen verdrehte und erneut das Bewusstsein verlor.
Mittlerweile war es wieder Abend geworden, doch selbst im spärlichen Licht des kleinen Feuers konnten Anna und Liese erkennen, dass es sich bei dem Kind um keinen normalen Säugling handelte. Zwar schrie das kleine Ding, was angesichts der strapazen einem Wunder gleichkam, doch abgesehen von der durch die lange Geburt dunkelblauen Verfärbung seiner Haut hatte es einen ungeheuerlich riesigen Kopf.
»Eine Monstergeburt, das fehlte uns noch! Wenn das die anderen sehen, dann binden die uns sofort auf den Scheiterhaufen.« Liese fand bereits wieder sehr handfeste Worte, während Anna mit entsetzt geweiteten Augen das arme Geschöpf anblickte und sich, wie es in schwierigen Situationen für sie üblich war, immerzu bekreuzigte.
»Ein Mädchen ist es, mit einem viel zu großen Kopf. Kein Wunder, dass Treschen solch einen riesigen Bauch hatte. Jetzt hör aber mal auf mit dem ewigen Rumgefummel, das bringt uns auch nicht weiter. Benutz mal lieber deine flinken Händchen dazu, das arme Dinge da unten wieder zuzunähen, die verblutet uns sonst noch. Ich kümmere mich mal besser um das Kind hier. Kann ja nichts dafür, dass es so aussieht. Gib mal das Messer. Man schneidet diese schnur hier doch einfach ab, oder?«
»Ja, einfach abschneiden.« Anna war noch immer entsetzt, und ihr Tatendrang, den sie soeben als Geburtshelferin zum ersten Mal unter Beweis gestellt hatte, war wieder dem Irrationalen gewichen. Abergläubisch wie sie war, war sie sich sicher, dass die Geburt eines solchen Kindes ein schlechtes, ja ein katastrophales Omen bedeutete. Ein Fingerzeig Gottes, ein Hinweis, dass man sich auf einem gefährlichen Irrweg befand, der früher oder später in die Hölle führen würde. Zuerst dieser furchtbare Krieg, dann noch diese entsetzlichen Morde, die sie nun seit Monaten begleiteten, und jetzt auch noch das.
Plötzlich überlief Anna ein bitterkalter Schauer. Dessen Ursprung war jedoch jenseits jeden Aberglaubens allein auf dem Boden der Tatsachen zu finden. Denn vom selbigen hatte Liese aus einem dort platzierten Eimer einen Becher Wasser geschöpft und ihn der vor sich hinstarrenden Anna ins Gesicht geschüttet.
»Bist du jetzt wieder in dieser Welt angekommen, Mädel? Die Kleine stirbt uns, wenn du nicht bald handelst. Mach sie da unten wieder zu, und zieh ihr was Sauberes an. Ich besorge gleich eine heiße Brühe.«
Während vor Annas innerem Auge die schlimmsten Höllenqualen und apokalyptische Szenen abgelaufen waren, hatte Liese das Kind abgenabelt, in Tücher gewickelt und auf ein eigens hergerichtetes Lager gelegt, sie hatte der ohnmächtigen Therese immer wieder in die Wangen gekniffen und somit nach einer Weile ein Lebenszeichen bei ihr hervorgerufen. Und nun machte sich die unfreiwillig erfrischte Anna daran, Therese bei der Nachgeburt zu helfen, um dann mit einer riesigen Nadel und einem viel zu dicken Faden die Risse und den schnitt am Unterleib der jungen Mutter zu vernähen.
»Sieh aber zu, dass du es nicht allzu dichtmachst, da unten. Die gute Therese ist ja kein
Weitere Kostenlose Bücher