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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Völkchens, hatten nichts gegen Liese und ihre Leute. Doch das hieß nicht, dass sie etwas für sie übriggehabt hätten, nichts außer unanständigen Komplimenten und für Liese leicht abzuwehrenden, eindeutigen Angeboten.
    Nach einer Weile hockten sie nun also allein, vier Leute am straßenrand, mitten in einer menschenleeren Gegend und unter ihnen eine Gebärende, die ganz plötzlich dazu übergegangen war, vor Schmerz aus Leibeskräften zu schreien.
    Unter den schrecklichsten Flüchen, die der Hebamme Grete Schuller galten und aus Lieses Mund kamen, machten sich die drei daran, die stöhnende Therese vom straßenrand fortzu-schleppen.
    In sichtweite, hinter einem Vorhang von dichtem Regen und kaltem Nebel, war eine alte Hütte zu erkennen, ein verwitterter Heuschober. Ihn erklärte Liese zum gemeinsamen Ziel, in welchen es die arme Schwangere zu befördern galt, damit sie dort niederkomme.
    »So ist dem kleinen Geschöpf eine Geburt wie unserem Heiland vorbehalten, in einer verwaisten Krippe wird es das Licht der Welt erblicken.«
    »Nun werd nicht wieder heilig, Hans. Ganz so besinnlich wird es schon nicht zugehen, das kann ich dir versprechen«, meinte Liese im üblich harschen Ton, und tatsächlich glaubte sie zu Recht, dass ihnen in den nächsten Stunden eine äußerst schwere Aufgabe bevorstand.
    Auch in dem alten Schuppen gab es keine trockene Stelle, an der sie die Gebärende hätten lagern können. Überall tropfte es durch das schäbige Strohdach, sodass Hans Mergel sich schließlich bereit erklärte, zum Weg zurückzumarschieren, aus dem dort verbliebenen Ochsenkarren Hammer und Nägel zu holen und mit den herumliegenden Brettern wenigstens einen Teil des Daches dichtzumachen. Zusätzlich sollte er so viele halbwegs trockene Decken wie möglich mitbringen.
    »Und wenn du dann wieder hier bist, kannst du gleich erneut kehrtmachen, denn erstens ist das hier nichts für einen alten Kerl wie dich, und zweitens muss einer auf unsere sachen aufpassen«, rief ihm Liese hinterher.
    Es vergingen zwei stunden, bis alles einigermaßen gerichtet war und Anna sogar ein kleines Feuer zustande brachte, welches sie mit Lumpen aus dem Marketenderwagen speisten. Das hatte Anna zwar sehr viel Überredungskunst gekostet, denn Liese war nicht bereit, kostbare Waren zu opfern, doch hier ging es um Leben und Tod, und die von Motten zerfressenen Fetzen konnte man Annas Ansicht nach ohnehin nicht mehr gebrauchen.
    »Na, dir gönne ich aber mal, dass du den Krieg von seiner wahren Seite kennenlernst, Mädel«, schimpfte Liese. »Es gibt Zeiten – und die kommen sehr bald wieder -, da lecken sich die Menschen die Finger nach jedem stückchen stoff, das sie sich um den kalten Leib legen können.«
    Doch auch Liese hatte letztendlich ein gutes Herz und gab, was sie nur schwerlich entbehren konnte.
    Es verstrichen die stunden, die Nacht kam und verging unter dem schrecklichen stöhnen und Schreien der armen Therese nur schleppend, und auch, als es bereits wieder dämmerte, war noch keine Veränderung der Lage in Sicht.
    Anna, die sich an die Geburten mehrerer Kälber erinnerte, fasste sich gegen Morgen endlich ein Herz und wagte zum ersten Mal einen Blick zwischen Thereses Beine.
    »Und, was siehst du?«, fragte Liese.
    »Da tut sich etwas. Es hat sich schon ziemlich weit geöffnet, und ich kann Haare erkennen.«
    »Dann hilf ihr doch, in Gottes Namen, die schreit sich ja die Seele aus dem Leib, die arme Irre. Die macht es nicht mehr lange, wenn wir nichts unternehmen.«
    »Aber was soll ich denn machen?«
    Wieder verstrichen sekunde für Sekunde die Stunden, und am Nachmittag verstummte Therese mit einem Mal, ganz plötzlich, so, wie bei ihr immer alles ganz plötzlich geschah.
    »sie hat das Bewusstsein verloren. Wir brauchen kaltes Wasser. Und du, gute Anna, überlegst jetzt einmal, was man mit einer Kuh macht, wenn das Kalb einfach nicht rauskommt.«
    »Das, was man dann macht, kann ich bei einem Menschen nicht machen. Aber schneiden, das könnte man.«
    »Dann schneide, Himmel, Herrgott!«
    »Hol mir ein sauberes Messer, saubere Lappen, Nadel und Faden und noch mehr Brennmaterial, damit wir Wasser aufkochen können«, befahl Anna plötzlich.
    »Bin gleich wieder zurück«, gehorchte Liese.
    Und dann machte sie sich auf zum Wagen. Derweil schaffte es Anna mit Hilfe von kaltem Wasser, welches nach mehr als einer Woche Regen zu Genüge zur Verfügung stand, Therese wieder zu Bewusstsein zu bringen. Sie war schwach, doch Anna, die

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