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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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dass er von nichts wisse und ein braver alter Mann sei. Man beendete seine Folter frühzeitig.
    Das junge Weib hingegen schlug wild um sich, schrie wie im Wahn und kreischte entsetzlich unter der Folter. Mit Schaum vor dem Mund rief sie ununterbrochen: »Ich kenne ihn, ich kenne ihn. Der Teufel ist nicht weit, er wird wiederkommen, immer wiederkommen. Er ist nicht weit. Ich kenne ihn, ihn und seinen Schatten. Ich kenne ihn. Nur ich kenne ihn. Niemand sonst außer mir kennt ihn. Er hat mich auserwählt, ihn zu sehen. Nur ich kann ihn sehen, nur ich kann ihn spüren. Er ist nicht weit.«
    Irgendwann, nachdem sie sich auch ihr schmutziges Leinenhemd vom Leibe gerissen hatte, vollkommen unbekleidet und aus unzähligen Wunden blutend, um sich schlagend und um sich tretend, auf dem Boden gelegen hatte, hatte ihr der Henker einfach mit der Faust auf den Kopf geschlagen, damit es endlich ein Ende hatte mit diesem entsetzlichen Lärm.
    So etwas hatte selbst der erfahrene Veit sperling nur selten erlebt, und er war froh, die Folterung der drei abbrechen und sie den Wachen übergeben zu dürfen.
    Der Profoss war mit dem Ergebnis sehr zufrieden, er hatte alles protokollieren lassen. Nur eines bereitete ihm Sorge: Sollte er die Namen der Männer, die die Angeklagte Kroll genannt hatte, wieder streichen? Er kannte nicht viele von ihnen, aber immerhin war der Pastor ein ehrenwerter Mann, und außerdem wusste er aus der Lektüre von Fliegenden Blättern, dass solche Namensnennungen in Hexenprozessen eine unendliche Lawine lostreten konnten, bei der nicht zuletzt oft auch Ankläger oder deren Frauen zu Opfern werden konnten. Hätte sie nur die Namen von nichtsnutzigen Dirnen genannt, so wäre es nicht weiter schlimm gewesen. Doch diese Männer musste man nun wirklich nicht belangen.
    Heidestett nahm sich vor, eine Nacht darüber zu schlafen und die Entscheidung, ob er eine Urkunde fälschen sollte oder nicht, am nächsten Tage zu fällen.
    Warum hat man nicht besser aufgepasst? Das hat nicht passieren dürfen. Man ist doch sonst immer achtsam. Viel besser hätte man aufpassen müssen. Sehr viel besser. Man ist ein Dummkopf, ein großer Dummkopf.
    Jetzt muss man etwas unternehmen. Man muss die Frau da rausholen. Man muss sie rausholen und verschleppen. Muss sie beschützen. Muss sie vor allen anderen beschützen, vor allem vor der bösen Hexe muss man sie beschützen. Die böse Hexe wird endlich sterben. Aber die Frau darf nicht sterben. Noch nicht.
    Man wird schon nicht gesehen. Man muss wieder ganz leise sein. Muss sich anschleichen.
    Da ist ein Mann. Der soll wohl auf sie aufpassen. Sieht müde aus, der Mann. Wird bestimmt nicht sehr wachsam sein. Man muss sich an ihm vorbeischleichen. Er darf einen nicht sehen.
    Da kommt ein anderer. Geht auf den Wachmann zu, spricht mit ihm. Sollen sie doch lachen, sollen sie doch lachen. Solange sie nicht über einen selbst lachen, einen ausschimpfen und bewerfen, können sie lachen, so viel sie wollen. Sollen sie lachen, dann passen sie wenigstens nicht auf.
    Jetzt kann man sich anschleichen. Kann einen Blick in die Hütte werfen. Da muss sie drinsitzen. Ja, da sitzt sie, und die anderen sind auch da, die alte Hexe ist auch da. Dort drüben in der Ecke, da sitzt die alte Hexe. Und die Frau sitzt gleich hier vorn. Da sind gar keine Ketten, nur Schnüre, die kann man leicht zerschneiden. Keine Ketten, nur Schnüre. Das wird nicht schwierig sein. Wo kann man rein? Vielleicht da drüben?
    Jetzt haben sie aufgehört zu lachen. Warum lachen sie nicht mehr? Kommen sie etwa her? Bleibt weg! Bleibt weg!
    »Wer ist da?«
    Anna hörte die Stimme des jungen Wachmanns, und im selben Moment erwachte die bis dahin wie ohnmächtig dasitzende Therese. Ihr wildes, wortloses Geheul erfüllte den Raum. Es musste nun gegen Mitternacht sein. In dem provisorischen Verlies brannte eine kleine Fackel und legte ihr gespenstisches Licht auf die gleichgültigen, starren, blassen, blut- und schmutzver-schmierten Gesichter von Liese und Mergel. Sie sahen aus wie Leichen, aber immerhin wie menschliche Leichen. Therese hingegen glich in ihrer erbärmlichen Lage und ihrem schrecklichen Anfall eher einem Furcht einflößenden Monster.
    Anna hatte keine Kraft mehr, sich zu fürchten; vielmehr hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie so glimpflich davongekommen war, dass sie Glück gehabt hatte. Einfach nur Glück gehabthatte.
    »Bleib stehen! Ich hab gesagt, du sollst stehen bleiben! … Geh du von der anderen Seite, Sepp,

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