Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
auf sie machte er zunächst einen sehr friedlichen Eindruck. Mit leiser, fast schüchterner stimme fragte er sie zunächst nach Name, Alter, Geburtsort und Stand, dann wollte er wissen, seit wann sie mit Liese Kroll bekannt sei und ob sie Sonderbares an ihr beobachtet hatte. Anna antwortete auf all diese Fragen aufrichtig und ruhig, Letztere verneinte sie. Der Mann las Punkt für Punkt aus einem vor ihm liegenden Katalog ab und blickte Anna nur selten an. Viel häufiger sah er hinüber zum Schreiber, um festzustellen, ob dieser auch alles genau notierte.
Nun wurden die Fragen unangenehmer: »Ist der Teufel in irgendeiner Gestalt bei Liese Kroll erschienen?«
»Nein.«
»Ging Liese Kroll häufiger des Abends aus und kehrte erst spät in der Nacht zurück?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Lästerte Liese Kroll auf schmähliche Art und Weise den Herrn?«
»Nein.«
»Ist dir, Anna Pippel, an Liese Kroll jemals ein Hexenmal, ein Fleck auf der Haut, eine Warze oder dergleichen aufgefallen?«
»Nein.«
»Hat Liese Kroll dich jemals zu gotteslästerlichen oder unsittlichen Handlungen verführen wollen?«
»Nein.«
»Hat Liese Kroll ein Buch mit Zauberformeln?«
»Sie hat einige Bücher, aber soweit ich weiß, keines, in dem Zauberformeln stehen. Ich kann das nicht genau sagen, weil ich nicht lesen kann.«
»Liese Kroll hingegen kann lesen?«, hakte der Profoss nach und schien sich dabei zum ersten Mal von der vorgefertigten Liste seiner Fragen zu lösen.
»Ja, sie kann lesen.«
»Worin liest sie, in der Bibel etwa?«
»Ich weiß es nicht, ich habe sie lediglich hin und wieder in einem Buch lesen sehen.«
»Und sie sagte dir nicht, um was für ein Buch es sich handelte?«
»Nein. Ich habe auch nie danach gefragt.«
»Nun gut, also weiter: Hat Liese Kroll jemals Flüche gegenüber Mitmenschen ausgesprochen, ihnen Schlechtes gewünscht und über sie geschimpft?«
»Sicher hatte sie auch Streit mit anderen, aber sie hat niemanden verflucht.«
Jetzt wurde der Profoss konkret: »Hat sie der Sybille Wirth eine Salbe gegen Rinderflechte verkauft, die bei der Kundin frühzeitige Wehen ausgelöst hat und zu einer Totgeburt führte?«
»Davon weiß ich nichts.«
»Hat sie dem Paul Illberg, nachdem er ein Bier nicht bezahlt hatte, die Tollwut an den Hals gewünscht, von der jedoch sein alter Vater befallen wurde, der elendig starb?«
»Auch davon habe ich nie etwas gehört.«
»Hat sie nicht die Lotte Fuchs verflucht und ihr schreckliche rote Pocken gewünscht, nachdem diese sich bei ihr über verdorbene Äpfel beschwert hatte, und leidet nicht diese seither an der Franzosenkrankheit?«
»Lotte Fuchs ist eine Trosshure, und die stecken sich ganz woanders mit so etwas an.«
Anna war es langsam müde, diese Auflistung an bösen Unterstellungen zu hören, welche sie natürlich alle längst kannte. Sämtliche waren harmlos und ganz einfach zu erklären, doch sie wusste, dass der Profoss sie, wenn sie zu jedem Gerücht etwas sagte, auf irgendeine Aussage festnageln und ihr einen Strick daraus drehen würde. So verneinte sie auch etwa zwanzig weitere Beschuldigungen, die von böswilligen Zungen an den Profoss herangetragen worden waren.
Nach dieser Auflistung der unsinnigsten Verfluchungen und Zaubereien, die Liese begangen haben sollte, befragte der Profoss Anna darüber, was sie von Lieses Vergangenheit wüsste. Auch dazu konnte sie nichts sagen.
Schließlich war auch sie an der Reihe und musste von all den Morden berichten, die geschehen waren, seit sie zum Heer ge-stoßen war. Sie musste von ihrer Schwester erzählen und durfte kein Detail des schrecklichen Anblicks aussparen. Selbst die ungefähre Menge des Blutverlustes und die Farbe des Hündchens wollte Heidestett wissen.
»Als du deine Schwester Mine aufgefunden hast, wo war zu diesem Zeitpunkt Liese Kroll?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe sie erst zwei Wochen später zum ersten Mal in meinem Leben gesehen.«
Auch der Mord in der Kirche an der jungen Hure Sehlmann interessierte den Profoss sehr.
»Weshalb ging Liese Kroll nicht mit, die Leiche der Eva Sehlmann abzuschneiden und zu vergraben?«
»Sie musste den Wagen richten und alles reisefertig machen.«
Und schließlich befragte er sie zu dem jüngsten Mordgeschehen an der alten Bauersfrau.
»Was triebet ihr gerade, als ihr von den Helfern des Rumormeisters aufgespürt wurdet?«
»Wir waren dabei, die Verstorbene abzuholen, um sie zu vergraben.«
»Woher, wenn ihr unschuldig seid, wusstet
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