Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Legen in Eisen sollte verzichtet werden. Es bestehe Fluchtgefahr, und außerdem müsse eine solch wichtige Zeugin angesichts der Mysteriosität des Falles unbedingt in schutzhaft genommen werden.
So wurde Anna aus dem Pfarrhaus abgeführt und entging nicht nur der Folter, sondern brauchte auch nicht mitanzuhören, wie ihre drei Freunde den ganzen Tag lang die schlimmsten Torturen über sich ergehen lassen mussten. Erst am späten Abend, als Liese, Therese und Mergel – mehr tot als lebendig – in Eisen zurück in den Stall gebracht wurden, schwante Anna, was sie durchlitten hatten.
Alle drei saßen stumm da und starrten auf den Boden. In der Dunkelheit war es Anna nicht möglich, das Ausmaß ihrer Verletzungen zu erkennen, doch die Tatsache, dass sie schwiegen, beunruhigte sie sehr. sie traute sich nicht, sie anzusprechen, und so verbrachte man den Rest der Nacht in unruhiger Stille.
Der Henker Veit Sperling war den ganzen Tag über in seinem Element gewesen. Es bereitete ihm ganz besondere Freude, Frauen quälen zu dürfen, und da er dem Profoss und damit der Militärpolizei unterstand, kam er nicht oft in diesen Genuss.
Zuerst war die Alte dran gewesen. Heidestett hatte ihr alle möglichen Fragen gestellt, ob sie es mit dem Teufel treibe, ob sie des Nachts mit anderen Weibern nackt im Wald tanze und ob sie Männern das Gemächt abgeschnitten und danach verzehrt habe. Er hatte noch unendlich mehr wissen wollen, aber besonders diese Fragen waren Veit Sperling im Gedächtnis geblieben. Und tatsächlich hatte die Alte geantwortet: Ja, sie treibe es regelmäßig mit dem Teufel, verabrede sich in jeder Vollmondnacht mit ihm und freue sich jedes Mal auf diese Begegnungen. Dann schwinge sie sich auf ihren Besen und fliege davon, um so schnell wie möglich bei ihrem leidenschaftlichen Buhlen zu sein. Heidestett hatte sodann wissen wollen, ob das Geschlecht des satans kalt sei. Auch das war ein Detail, welches den Henker sehr interessierte.
»Nicht so kalt wie deines«, hatte die alte Hexe geantwortet. Heidestett hatte diese Antwort ignoriert.
Auch das Nackttanzen im Wald hatte die Hexe bejaht. Sie treffe sich regelmäßig dort im Wald mit einer lustigen Gesellschaft. Man koche Krähenfüße und Katzenschwänze, trinke das Blut unschuldiger Jungfern und tanze bis in die Morgenstunden einen wilden Reigen. Allerdings seien bei dieser Gesellschaft außer ihr keine Frauen, sondern ausschließlich Mannsvolk zugegen. Und dann nannte sie Namen: Dort tanze regelmäßig der Rumormeister Spengel, der Geldeintreiber Johann schlick, der Fuhrmann Pit Gaukler, der Büchsenmacher Josef Nippes, der Stückmeister Rudolf Becker, der Sattler Friedrich Prahl, und immer dabei sei der Pastor Georg Bracht.
All das sagte sie, ohne dass der Henker ihr auch nur die Instrumente hatte zeigen müssen, es sprudelte aus ihr heraus wie aus einem Wasserfall, und sie gab auch zu, seit ihrer frühen Jugend viele ihrer zahlreichen Liebhaber entmannt zu haben, wenn sie nicht mit ihnen zufrieden gewesen sei. Das sei ein großer Spaß gewesen, und wenn das Ding, so sagte sie tatsächlich, schon zu nichts tauge, so könne man es auch gleich mit Salz und Pfeffer würzen, braten und wie eine köstliche Wurst verzehren.
Der Henker war bei diesen Worten kreidebleich geworden.
Foltern musste man die Frau erst, als es darum ging, die Morde zuzugeben, und foltern musste man sie erst recht, als sie zugeben sollte, dass sowohl ihr Kumpan Hans Mergel als auch die Therese Wittmann und eventuell die Anna Pippel zu ihren Komplizen zählten.
Doch da blieb sie standhaft. Die Morde gab sie zu, nachdem man ihr die Hände am Rücken zusammengebunden und sie daran an einem über einen Balken gelegten Strick hochgezogen hatte, danach ihre Füße nach und nach mit Gewichten beschwert und sie dann auch noch mit glühenden Zangen traktiert hatte. Doch ihre Komplizen schützte sie. Kein Wort kam über ihre Lippen, als man ihr die Beine in die spanischen stiefel steckte und so lange schraubte, bis das Blut spritzte. Sie schwieg auch, als man ihr die Daumenschrauben anlegte und ihr beide Daumen brach, sie sagte nicht einmal eine Silbe, als der Henker dazu überging, ihre Fingernägel auszureißen und ihre Zähne einzuschlagen. Nichts war zu machen: Die Hexe schwieg, und man brach das peinliche Verhör vorerst ab.
Auch der alte Mann gab nichts zu. Ihm kugelte man beide Arme aus, traktierte ihn mit glühenden Zangen und steckte ihn in die spanischen Stiefel. Er sagte immerzu,
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