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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Anna vorübergezogen. Einige von ihnen mit gepflegten Bärten und schönen Hüten, andere wiederum gänzlich verwahrlost, auf alten klapprigen Schindmähren, die nicht einmal zum Schlachten getaugt hätten. Ihnen war eine unendliche Schar an Fußvolk gefolgt, und dann waren Dutzende Ochsengespanne vorbeigerollt. Sie waren mit dicken und weniger dicken Kanonen, mit anderen Geschützen, Schießpulver und Proviant beladen gewesen. Und nun – es war bereits Abend geworden, und die Sonne wollte schon bald hinter einem Berg verschwinden – kamen die Frauen, die Kinder und all das Gesinde und Gesindel, welches einem jeden Regiment wie ein viel zu langer und dicker Rattenschwanz anhing.
    Im Schutz eines Dornenbusches beobachtete Anna, vorsichtig durch Blätter und Zweige blickend, das bunte Treiben. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass Menschen in der Lage waren, so viel auf einmal zu tragen.
    Sie hatte in ihrem kurzen Leben schon seit der frühen Kindheit immer hart arbeiten müssen, hatte bereits mit fünf Jahren eimerweise Wasser aus dem Brunnen herbeigetragen, hatte später dann Holz sammeln, auf dem Feld arbeiten, schlachten, kochen, waschen, putzen und nähen müssen. Und das oft zwanzig Stunden am Tag, an jedem Tag und zu jeder Jahreszeit. Sie wusste bei Gott, was es hieß, ihrem Körper auch noch den letzten Rest an Kraft und Anstrengung abzugewinnen. Doch niemals, selbst wenn sie jeden Tag Butter und Fleisch essen dürfte, würde sie solche Lasten schleppen können wie einige der Frauen, die gerade an ihr vorbeizogen.
    Mit staunenden Augen verfolgte Anna eine Mutter mit drei kleinen Kindern und einem runden Kugelbauch, in dem ganz offensichtlich das vierte heranwuchs. Diese Frau mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, vielleicht war sie jünger, doch älter sicher nicht, obwohl sie alt aussah. Die beiden großen Kinder von drei und vier Jahren gingen neben ihr, wobei das ältere das kleinere an der Hand hielt und es immer wieder zum Weitermarschieren auffordern musste, indem es sein Geschwisterchen von Zeit zu Zeit äußerst unsanft am Ohrläppchen zog. Das jüngste Kind war noch nicht ganz dem Säuglingsalter entwachsen und wurde in einer kunstvollen Tuchkonstruktion auf dem Kopf der Mutter transportiert. Auf den Rücken hatte die Frau sich einen riesigen Korb geschnallt, in dem außer einem lebenden Huhn auch noch verschiedener Hausrat verstaut war. Einen offensichtlich schweren Beutel schleifte sie mit der linken Hand durch den Staub hinter sich her, während sie mit der rechten einen alten Handkarren zog, der so überladen war, dass die Räder von der Last zur Seite gebogen wurden und sich nur noch äußerst mühselig über den buckligen und steinigen Weg rollen ließen.
    Derartig vollgepackt, kam die Frau trotz brütender Sommerhitze erstaunlich gut voran und konnte ohne weiteres mit einem Eselkarren Schritt halten, der, ebenfalls völlig überladen, von einer uralten Greisin geführt wurde. Knochig und krumm ging die Alte, ihren Esel am Halfter ziehend, neben der jungen Mutter her und unterhielt sich mit ihr. Was die beiden Frauen sprachen, konnte Anna jedoch nicht verstehen, denn es war sehr laut um sie herum.
    Wenn ein solch riesiger Tross in Bewegung war, dann konnte man die verschiedensten Dinge sehen, riechen und hören. Da gab es Menschen jeden Alters, die einen waren vollkommen gesund und wohlgenährt, andere wiederum hatten nur ein Bein und gingen an Krücken, wieder andere waren dürr und abgemagert und mussten auf Wagen transportiert werden. Sie alle erfüllten zusammen mit ihren unzähligen Haustieren die Luft mit einem Duftgemisch aus Schweiß, Kot, Urin und sonstigen Gerüchen, die ungewaschene Körper verströmten.
    Doch war der Gestank nichts gegen den ohrenbetäubenden Lärm. Da war das Quietschen von ungeölten Achsen und Rädern, das Klappern von Hufen, das Bellen von Hunden, das Schreien von Kindern und das Murmeln aus Tausenden von Mündern zu vernehmen, die auf ihrem Marsch durch die Wiesen, Felder, Wälder und Dörfer Westfalens miteinander schwatzten, lachten, stritten, verhandelten oder einfach Lieder sangen.
    Und all diese vielen, vielen Menschen zogen nun Stunde um Stunde in einem unendlichen Zug an Anna vorüber. Erst als der allerletzte Wagen, beladen mit etwa zwanzig verkrüppelten, aber schon wieder grölenden und einander neckenden Soldaten, Annas Gebüsch passiert hatte, erst als von dieser unendlich langen Schlange nichts weiter als eine riesige Staubwolke

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