Des Teufels Werk
Bagdad gesucht wird. Aber du wirst überhaupt nicht erwähnt. Geschieht das auf deine Bitte? Oder will die Polizei es so, weil du noch als Zeugin befragt wirst?
Eine schnelle Antwort wäre eine Hilfe. Ich kann mich kaum noch retten vor Fragen zu meinem Artikel über die BaycombeGruppe, in dem MacKenzie/O'Connell ja als Urkundenfälscher entlarvt wurde. Wie viel oder wenig soll ich sagen? Soll dein Name überhaupt bekannt werden? Oder willst du von dem gesetzlichen Schutz von Vergewaltigungsopfern Gebrauch machen und anonym bleiben?
Herrgott! Ich kann kaum glauben, was für ein Idiot ich war. Ich muss dauernd daran denken, wie ich dir sagte, du sollst dir ein paar Tränchen abringen und an das allgemeine Mitgefühl appellieren. Es tut mir so Leid, Connie. Können wir uns sehen, wenn ich nach England komme? Oder habe ich alles vermasselt? Mir stehen ein paar Tage Urlaub zu.
In Liebe, Dan
PS: Leider muss ich jetzt noch einmal den Journalisten herauskehren. Hast du neuere Informationen über MacKenzie? Ist er irgendwo gesichtet worden, oder vermutet man, dass er heimlich das Land verlassen hat?
20
»Und der zweite Grund?«, fragte Bagley, nachdem er mich an meine Behauptung erinnert hatte, dass ein Mann wahrscheinlich nicht verstehen würde, warum ich so ruhig war. »Sie sagten, ›
erstens
sind meine Eltern nicht tot.‹ Was kommt als Nächstes?«
»Jess und Peter?«, meinte ich. »Mit meiner Ruhe wäre es für immer vorbei, wenn ihnen etwas passiert wäre.«
»Das ginge doch jedem so. Wieso sollte ein Mann Mühe haben, das zu verstehen?«
»Hätte er sicher nicht. Nein, bei dieser Bemerkung dachte ich eher daran, dass es einem Mann schwer fallen würde zu verstehen, wie mein Blick auf MacKenzie sich so grundlegend ändern konnte. Zunächst einmal konnte ich kaum fassen, wie
klein und armselig
er war. Ich hatte so lange das Bild von einem furchtbaren Ungeheuer mit mir herumgetragen, dass ich – na ja, ich war verblüfft, als ich erkannte, was für ein dreckiger kleiner Straßenköter er in Wirklichkeit war. Das heißt nicht, dass ich keine Angst hatte – aber ich habe ihn zum ersten Mal realistisch gesehen, und das hat mir gut getan.«
»War? Hatte?«, wiederholte er. »Ist MacKenzie tot, Ms. Burns?«
Das hatten wir schon mehrmals durchgekaut. »Wie denn?«, entgegnete ich. »Ich mag es mir wünschen, ich mag darum beten, mehr aber auch nicht. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er jedenfalls noch quicklebendig. Es kommt darauf an, ob man an gebrochenen Fingern sterben kann – was ich eigentlich für ziemlich unwahrscheinlich halte.«
»Wenn es das Einzige war, was ihm fehlte.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Peter sagt, ja.«
»Sie und Ms. Derbyshire waren eine halbe Stunde lang mit MacKenzie allein. In der Zeit kann einem Menschen alles Mögliche widerfahren.«
»Wo ist er dann? Warum haben Sie ihn nicht gefunden?«
»Das weiß ich nicht, Ms. Burns. Genau das versuche ich ja herauszubekommen.«
Ich verbarg meinen Ärger nicht. »Wie wär's, wenn ich den Spieß einmal umdrehe und Ihnen die Fragen stelle? Was ist denn das für eine Polizeibehörde, die zulässt, dass jemand so leicht entkommt, wie das offenbar bei MacKenzie der Fall war? Er kann nicht lange vor Ihrem Eintreffen aus dem Haus verschwunden sein – aber Sie haben zwei
Stunden
gebraucht, ehe sie die Fahndung im Tal anleierten. Da hätte er schon längst über alle Berge sein können – auf einer Fähre oder im Zug zum Flughafen von Southampton. Haben Sie da nach ihm gesucht?«
Er nickte so ungeduldig, als wäre diese Frage keine Antwort wert. »Wir interessieren uns mehr für den BMW Ihres Vaters, Ms. Burns. Den wollte er doch offensichtlich benutzen. Der Wagen stand keinen Kilometer entfernt auf dem Weg ins Tal, er hätte also aus der Gegend verschwinden können, ehe irgendjemand seine Flucht bemerkte – aber er ist nicht zu dem Fahrzeug zurückgekehrt. Und das finde ich sehr seltsam.«
»Ich auch.«
Bagley hasste es, wenn ich ihm zustimmte. Er schien es für eine Form von Spott zu halten. »Vielleicht haben Sie eine Erklärung dafür«, murmelte er mit bissigem Sarkasmus. »Sie scheinen ja sonst auch für alles Erklärungen zu haben.«
»Ich vermute, er hat sich verlaufen«, sagte ich. »Mir passiert das ständig – und dabei gehe ich nur bei Tag spazieren. Das Tal ist groß. Wenn man die Orientierung verliert und den falschen Fußweg einschlägt, landet man am Ridgeway statt im Dorf. Ich nehme an, Sie haben die
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