Des Teufels Werk
desto leichter geht es.«
»Ich dachte, Lächeln sei ein Reflex.«
»Das kann nicht sein«, widersprach Jess schroff, »dann könnte Madeleine es bestimmt nicht. Ihr Lächeln ist ungefähr so echt wie das eines Krokodils – und sie zeigt mehr Zähne.«
Aus dem allen klug zu werden, brauchte Zeit. An diesem Tag begnügte ich mich mit Erkunden. Ich weiß noch, dass ich vor einer Fotografie von Posterformat stand, die an der Wand am Ende des oberen Treppenflurs hing. ›Madeleine‹ stand in Druckbuchstaben darunter. Der Name sagte mir insofern etwas, als Jess mich gefragt hatte, ob ich mit einer Frau dieses Namens verwandt sei, aber wer die Frau war, wusste ich noch nicht. Es war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von einer jungen Frau, die sich vor dem Hintergrund einer stürmischen See in den Wind lehnte, und wäre nicht der Name gewesen, so hätte ich sie für einen Kunstdruck gehalten. Es war eine tolle Aufnahme, sowohl wegen des Mädchens als auch, was die Beleuchtung anging.
Madeleine war atemberaubend. Sie trug einen langen Mantel zu einer langen Hose und auf dem Kopf einen schwarzen runden Filzhut. Ihr Gesicht war der Kamera zugewandt, und jeder Zug in ihm war außergewöhnlich klar. Sie hatte die Lippen über den ebenmäßigen Zähnen zu dieser Art Dreieckslächeln verzogen, das amerikanische Schönheitsköniginnen bis zum Umfallen üben, aber bei ihr sah es echt aus, so wie es die Augen erhellte, in denen der Übermut blitzte. Ich begriff später, warum Jess sie nicht mochte – zwischen Madeleines Venus und Jess' Mars gab es keine Einigung –, allerdings blieb mir rätselhaft, warum Peter Coleman sie abgewiesen hatte.
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Madeleine dafür verantwortlich gewesen war, das Haus zur Vermietung herzurichten, aber ich weiß, mir ging der Gedanke durch den Kopf, dass die Eigentümer offenbar von Mietern keine hohe Meinung hatten. Das Haus hätte so imposant sein können – zehnmal den Preis bringen können, den ich bezahlte –, stattdessen war es scheußlich und schäbig. In jedem Zimmer sah man, dass billige Möbel den Platz prächtigerer Stücke eingenommen hatten. Hinter windigen schmalen Schränken waren an der Wand noch die Umrisse größerer, soliderer Brüder zu erkennen, und Abdrücke in den Teppichen verrieten, wo breite Betten und behäbige Frisierkommoden gestanden hatten, ehe sie gegen Stücke billigerer Machart ausgetauscht worden waren.
Jeder mit einem Funken Kreativität konnte erkennen, dass das Haus nach Renovierung schrie. Hätte ich die Freiheit dazu gehabt, ich hätte es ins achtzehnte Jahrhundert zurückversetzt. Ich hätte die Tapeten von den Wänden gerissen und die spießigen Vorhänge entfernt, um die Kassettenschlagläden zur Geltung zu bringen und auch zu benutzen. Schlichtheit hätte ihm gestanden statt Rüschen und Volants und billige Möbel, durch die es wie eine alternde Hure wirkte, dick geschminkt, um die Makel zu verdecken. Ich entdeckte erst später, dass das Haus so war, wie es war, weil Madeleine nicht zuließ, dass Lilys Anwalt ihr Erbe für Renovierungsarbeiten ausgab, aber schon zu diesem Zeitpunkt veranlasste mich sein Zustand, mir meine Gedanken über die Eigentümer zu machen. Es schien so offenkundig, dass alles Geld, das man jetzt investierte, durch höhere Miteinnahmen doppelt und dreifach wieder hereinkommen würde.
Am meisten verwunderten mich die Zeichnungen und Ölgemälde, die in allen Zimmern hingen, ein buntes Durcheinander, das sich nicht einordnen ließ – abstrakte, Aktzeichnungen, exzentrische Darstellungen von Gebäuden, die im Boden Wurzeln geschlagen hatten und aus deren Fenstern grüne Bäume wuchsen –, aber alle vom selben Künstler signiert, Nathaniel Harrison. Manche waren Originale, andere – die Zeichnungen – waren Drucke. Mir war schleierhaft, wieso jemand so viele Bilder aus dem Werk eines einzigen Malers sammelte, um sie dann in einem vermieteten Haus aufzuhängen.
Als ich Jess danach fragte, lächelte sie zynisch. »Sie hängen wahrscheinlich nur da, um die feuchten Stellen zu verdecken.«
»Aber wer ist Nathaniel Harrison? Wieso hat Lily so viele Bilder von ihm gekauft?«
»Hat sie nicht. Madeleine muss sie hergebracht haben, nachdem sie die Bilder ihrer Mutter hier herausgeholt hatte. Das wird billiger gewesen sein, als das Haus neu streichen und tapezieren zu lassen.«
»Und wie ist Madeleine zu ihnen gekommen?«
»So wie sie zu allem kommt«, sagte Jess bissig. »Mit Sex.«
Auszüge aus
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