weiß ich nicht. Das war Ende der Vierziger. Ich glaube, meine Mutter sagte, es sei zwischen vier einheimischen Bauern aufgeteilt worden, aber es hat seitdem mehrmals die Besitzer gewechselt. Die Flächen im Norden wurden vor ungefähr drei Jahren von einer Kooperative aus Dorchester gekauft.«
»Und die Derbyshires? Haben die auch einen Teil gekauft?«
»Natürlich nicht. Das hätten sie sich nicht leisten können.«
»Aber die Barton Farm ist doch ziemlich groß. Peter sprach von fünfzehnhundert Morgen.«
Madeleine schüttelte den Kopf. »Sie ist Pächterin – ihr gehören vielleicht fünfzig Morgen, der Rest ist gepachtet. Jess kommt aus kleinen Verhältnissen. Ihre Großmutter war nach dem Krieg Dienstmädchen bei uns.« Ihr Blick wanderte zum offenen Kamin. »Die alte Mrs. Derbyshire hat diesen Kamin jeden Tag sauber gemacht. Mami hat erzählt, sie hätte eine platte Nase und ein flaches Gesicht gehabt und ausgesehen wie eine Mongolin oder jemand, der ererbte Syphilis hat.« Sie fing meinen Blick auf. »Das stimmte natürlich beides nicht, aber es ist offensichtlich erblich, sonst sähe Jess nicht auch so aus.«
Ich blies Rauch in ihre Richtung. »Und der Ehemann dieser Dame hat in den Fünfzigern die Barton Farm bewirtschaftet?«
Ich spürte, dass Madeleine drauf und dran war zu sagen, ›Sie war keine Dame‹. »Nein, diese Generation wurde übersprungen. Der Mann bekam während des Krieges Kinderlähmung und starb daran kurz nach seiner Heimkehr. Es war noch ein jüngerer Bruder da, aber der ist, glaube ich, in der Normandie gefallen. Jess' Vater hat den Hof von seinem Großvater geerbt, und als er verunglückte, hat Jess ihn übernommen – weiß der Himmel, was aus ihm werden wird, wenn sie einmal stirbt.«
»Vielleicht sind dann Kinder da.«
Sie warf mir einen verächtlichen Blick zu. »Das müsste dann schon Jungfernzeugung sein. Die würde sich lieber zu ihren Mastiffs legen als zu einem Mann.«
Ss-ss-ss! »Und was ist aus Jess' Großmutter geworden?«
»Sie ist nach Australien zu ihrem Bruder gegangen, als ihr Sohn den Hof übernahm. Vorher führte sie ihrem Schwiegervater den Haushalt. Er hat getrunken – erst seine Frau in den Tod getrieben und dann seiner Schwiegertochter das Leben zur Hölle gemacht. Mami hat erzählt, die Beziehung zu ihrem Sohn hätte sehr darunter gelitten – darum sei sie ausgewandert, aber ich vermute, sie hoffte einfach, dass es ihr dort besser ginge.«
»Kannten Sie sie?«
»Ich habe sie erst kennen gelernt, als sie nach dem Tod von Jess' Eltern zurückkam. Sie blieb ein Vierteljahr, aber es war alles zu viel für sie. Sie ist kurz danach an einem Schlaganfall gestorben.«
»Wie traurig.«
Madeleine nickte. »Mami war sehr erschüttert. Sie hat Mrs. Derbyshire oft gesehen, als sie hier war. Sie gehörten unterschiedlichen Generationen an – und waren natürlich sehr unterschiedlicher Herkunft –, aber sie sagte, es sei schön gewesen, in Erinnerungen zu schwelgen.«
»Für Jess muss das damals ja grauenhaft gewesen sein.«
»Ja«, stimmte sie zu und hielt meinem Blick einen Moment stand, ehe sie wegsah. »Sie kam mit einem Fleischermesser hierher und schnitt sich vor Mami die Pulsadern auf. Alles war voller Blut – die Ärzte meinten allerdings, es wäre wohl eher ein Hilfeschrei gewesen als ein ernsthafter Selbstmordversuch. Die Schnitte waren nicht tief genug, um wirklich Schaden anzurichten.«
Ich sagte nichts.
»Die arme Mami war außer sich vor Angst«, fuhr Madeleine in einem Ton fort, als täte es ihr Leid, dass sie mir das berichten musste. »Sie dachte, das Messer wäre für sie bestimmt. Wie kommt man nur darauf! – Eigens den weiten Weg hierher zu machen, um sich vor Publikum umzubringen.« Sie hielt inne. »Deswegen war ich gestern so entsetzt, als Peter sagte, Jess helfe Ihnen. Er hätte Sie vor ihr warnen sollen anstatt zuzulassen, dass sie sich an Sie hängt wie damals an meine Mutter.«
Auszüge aus Aufzeichnungen unter dem Aktenzeichen ›CB15 – 18/05/04‹
… Ich kann nichts mehr essen. Ich zwinge mich, es zu versuchen, aber alles schmeckt gleich …
Von:
[email protected] Abgesandt: So, 11/07/04, 14.05
An:
[email protected] Thema: Gott sei Dank!
Wo zum Teufel bist du die ganze Zeit gewesen, Connie? Du hast versprochen, mit mir in Kontakt zu bleiben, wenn ich dich nur ins Flugzeug setze, aber fast zwei Monate lang habe ich nichts von dir gehört – zero – 0000000 – und dann kam vor zwei Std. eine mickrige EMail