Des Teufels Werk
Verrat vorgekommen. Ich musste mich mit Jess selbst auseinander setzen, nicht noch zum Klatsch über sie beitragen. »Sie hat mir bei einigen Dingen geholfen, als ich hier ankam«, sagte ich. »Dafür bin ich ihr wirklich dankbar. Ich hatte keine Ahnung, dass es hier nur eine Telefonbuchse gibt und der Empfang für mein Handy so schlecht ist. Deshalb brauche ich Breitband.«
Aber sie wollte nur über Jess sprechen. »Peter hätte Sie einweihen müssen«, erklärte sie ernsthaft. »Aber der hat ja schreckliche Angst, die Schweigepflicht zu verletzen. Es ist ja nicht nur das Klammern ein Problem – schlimmer ist noch, wie sie reagiert, wenn sie sich abgewiesen fühlt. Das hat alles sicher mit dem Unfall zu tun – ein Bedürfnis, geliebt zu werden, nehme ich an –, es kann jedoch ziemlich beängstigend sein, wenn man nicht darauf gefasst ist.«
Ich merkte, dass ich sie genauso gleichgültig anstarrte, wie Jess mich immer anstarrte. Allerdings nur, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte.
»Sie finden mich wahrscheinlich unmöglich«, fuhr Madeleine entschuldigend fort, »aber ich möchte nicht, dass Sie in zwei Monaten feststellen müssen, dass ich Recht habe. Sie können jeden fragen.«
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf meine Hände. »Was soll ich fragen?«
»Ach, Gott! Vielleicht hätte ich einfach sagen sollen, hören Sie zu.
Hören
Sie auf das, was die anderen so sagen.«
»Worüber?«
»Über das Klammern. Sie verfolgt einen. Es fängt damit an, dass sie vor der Tür steht, wenn man einzieht. Danach lässt sie nicht mehr von einem ab. Sie kommt mit Geschenken oder Hilfsangeboten, und hinterher wird man sie nicht los. Sie hat meine arme Mutter über Jahre belästigt. Am Ende konnte Mami ihr nur noch aus dem Weg gehen, indem sie sich jedes Mal, wenn sie in der Einfahrt den Land Rover hörte, oben versteckte.«
»Peter scheint keine Schwierigkeiten mit ihr zu haben.«
»Sie lässt ihn in Ruhe, weil sie etwas gegen ihn hat. Sie ist davon überzeugt, dass er sie nach dem tödlichen Unfall ihrer Eltern Valium-abhängig machen wollte. Die Probleme fangen an, wenn sie sich auf jemanden fixiert – und meistens ist das eine Frau.« Sie sah mir prüfend ins Gesicht. »Ich bin nicht gehässig, Marianne. Ich will Sie nur warnen.«
»Wovor? Dass Jess zu Freundschaft nicht fähig ist – oder dass sie lesbisch ist?«
Madeleine zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber sie hat jedenfalls nie Interesse an Männern gezeigt. Mami hat erzählt, sie hätte ihrem Vater sehr nahe gestanden, kann sein, dass das etwas damit zu tun hat. Die meisten Leute halten sie auf den ersten Blick für einen halbwüchsigen Jungen – die entsprechende Stimme hat sie. Mami meinte, ihre Hormone wären durcheinander geraten, als sie den Hof übernahm.«
Ihr ständiges ›Mami‹ begann mir auf die Nerven zu gehen. Meiner Ansicht nach kann man Frauen nicht trauen, die in mittlerem Alter immer noch diese kindliche Koseform für ihre Mütter gebrauchen. Es scheint mir darauf hinzudeuten, dass die Beziehung zu ihren Müttern nie gereift ist, oder sie eine innigere Zuneigung vortäuschen wollen, als je bestanden hat. »Bei mir tauchte sie nur auf, weil ihre Hunde meinen Wagen in der Einfahrt bemerkt hatten. Sie rief sie zurück, als sie auf mich zugelaufen kamen, sonst wären wir einander nie begegnet.«
»Wie konnten sie Ihren Wagen bemerken?«
»Vermutlich ging sie einfach in der Nähe mit ihnen spazieren. Vielleicht haben die Hunde gesehen, wie ich in die Einfahrt eingebogen bin.«
»Das hat sie Ihnen erzählt?« Sie nahm mein Schweigen als Zustimmung. »Dann hat sie gelogen. Sie züchtet diese Mastiffs, sie wird also wohl kaum auf einer befahrenen Straße mit ihnen spazieren gehen. Das wäre viel zu gefährlich.« Sie stützte die Ellbogen auf die Knie. »Ich bitte Sie nur um eines, Marianne – seien Sie ein wenig vorsichtig. Selbst Peter findet es merkwürdig, dass sie ausgerechnet an diesem Tag hier vorbeikam.«
Ich antwortete mit einem kleinen Nicken, das Madeleine auffassen konnte, wie sie wollte. »Sie haben vorhin gesagt, am schlimmsten sei es, wenn sie sich zurückgewiesen fühlt. Was tut sie denn dann?«
»Schleicht mitten in der Nacht ums Haus herum – schaut zu den Fenstern herein – macht anonyme Anrufe. Sie sollten sich einmal mit Mary Galbraith unterhalten. Sie lebt mit ihrem Mann im Hollyhook Cottage, und die beiden haben die fürchterlichsten Dinge erlebt, nachdem Mary Jess klipp und klar
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