Des Teufels Werk
so darzustellen, dass Sie selbst im schlechtesten Licht erscheinen. Kann sein, dass ich mich irre, aber ich vermute, Sie wurden zu gewissen Handlungen gezwungen, derer Sie sich schämen, und nun ist Ihre Fantasie eifrig damit beschäftigt, Ihre Kooperationsbereitschaft maßlos zu übertreiben. Glauben Sie bitte nicht, ich bagatellisiere Ihre Erfahrung, wenn ich sage, dass es jedem so ergeht, der misshandelt, vergewaltigt oder sexuell genötigt wurde. Egal ob Mann, Frau oder Kind. Es ist beinahe unmöglich, sich ein Selbstbewusstsein zu bewahren, wenn die Misshandlung darauf abzielt, das Opfer zu erniedrigen und zum Sklaven zu machen.
Darf ich, da MacKenzie dieses Ziel offensichtlich nicht erreicht hat (Sie hätten sonst nie mit mir Verbindung aufgenommen, nie die Fotografie beschafft), vielleicht die Vermutung wagen, dass Sie noch am Leben sind, weil Sie seinen Respekt gewonnen haben? Die Art Ihrer Reaktion, wie auch immer sie gewesen sein mag, wirkte sich zu Ihren Gunsten aus. Sie glauben zweifellos, Sie wären am Leben, weil Sie kooperiert haben – das glauben alle Opfer, die überlebt haben –, aber da täuschen Sie sich, Connie. Es besteht kein Zweifel daran, dass die beiden ermordeten Frauen, deren Leichname ich in Sierra Leone sah, sich zunächst auch auf ihn einließen. Jeder geschulte Kriminalbeamte konnte das sofort erkennen – es fehlten jegliche Spuren von Fesseln, ferner gab es klare Hinweise darauf, dass auf den Betten Geschlechtsverkehr/Vergewaltigung stattgefunden hatte. Die Frauen wollten besänftigen und provozierten damit nur.
Warum ist es Ihnen nicht so ergangen? Was haben Sie im Gegensatz zu diesen beiden Frauen richtig gemacht? Ich kann nur vermuten, dass er Sie als Person gesehen hat und nicht als Objekt. Vielleicht haben Sie Ihre Angst besser versteckt als die beiden Frauen. Vielleicht hat er Sie nie ganz besessen. Wer weiß? Aber sagen Sie jetzt bitte nicht, es hätte nur daran gelegen, dass Sie eine weiße Haut haben und seine Sprache sprechen. Ein Mann seines Schlags sieht in jeder wehrlosen Frau ein Mittel zur Befriedigung eigener Wünsche und Fantasien, und MacKenzie weiß vielleicht selbst nicht, warum er die Sache nicht zu Ende geführt hat.
Keinesfalls sollten Sie sich von der Tatsache, dass Ihnen die Augen verbunden wurden und Sie ohne äußere Verletzungen aus der Sache hervorgegangen sind, zu dem Schluss verleiten lassen, dass er nie die Absicht hatte, Sie zu töten. Dann müssten Sie sich nämlich vorwerfen, dass Sie zumindest einige seiner Forderungen hätten zurückweisen können/müssen. Aber das wäre nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, eine völlig falsche Schlussfolgerung.
Wenn Sie meinen Bericht über die Morde in Sierra Leone noch einmal lesen, werden Sie sehen, dass es gewisse Indizien dafür gibt, dass der Mörder sich schon vor der Tat einige Zeit in den Räumen der Opfer aufgehalten hatte. Ich äußerte in meinem Bericht die Vermutung, der Mörder habe vor der Tat mit seinen Opfern ›gespielt‹, um sich an ihren Reaktionen zu weiden. Es dürfte eine Berg und Talfahrt zwischen Furcht und Hoffnung gewesen sein, und je weniger er sie äußerlich zeichnete, desto größer wird bei ihnen die Hoffnung auf Überleben gewesen sein. Ich bin überzeugt, dass er es genauso mit Ihnen gemacht hat, Connie, und Sie sind nur deshalb noch am Leben, weil sie sein ›Spiel‹ besser spielten als die anderen Frauen.
Nebenbei bemerkt, ich forderte damals in Freetown auch deshalb einen Pathologen aus England an, weil die beiden Frauen, die ich sah, um die Augen Petechien hatten (das sind punktförmige Hautblutungen aus den Kapillaren). Es ist möglich, dass sie infolge des gewalttätigen Angriffs auftraten, aber im Allgemeinen findet man diese Petechien bei Erstickungsfällen – wie zum Beispiel, wenn mit einer Plastiktüte die Atemwege blockiert werden. Ich fragte mich, ob zum ›Spiel‹ des Mörders auch Folter dieser Art gehörte. Sie wird von totalitären Regimes bevorzugt, weil sie keine Spuren hinterlässt. Auch Scheinertränkungen sind beliebt – wobei allerdings das Material, mit dem man dem Opfer die Augen verbunden hat, sich mit Wasser voll saugt.
Wenn es Ihnen ein Trost ist – Sie können mir nichts erzählen, was ich nicht schon früher gesehen oder gehört habe. Die Methoden, die bedürftige Männer anwenden, um sich groß und stark zu fühlen, zeichnen sich durch eine deprimierende Gleichförmigkeit aus. Immer gehört der Versuch dazu, einen anderen
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