Des Todes Dunkler Bruder
der Dienstwagen deutlich zu erkennen.
Er scrollte weiter und die Bilder rauschten eine Ewigkeit unverändert vorbei. Alle 30 oder 40 Aufnahmen sahen wir den Dienstwagen vorbeirollen und dann nichts.
Nach einigen Minuten verschwand dieses Muster, und wir sahen lange Zeit gar nichts. »Abgestürzt«, meinte mein schmieriger neuer Freund.
Deborah bedachte ihn mit einem harten Blick. »Die Kamera ist kaputt?«
Er sah zu ihr auf, errötete wieder und sah weg. »Die Sicherheitstypen«, erklärte er. »Totale Penner. Jeden Morgen gegen drei parken sie auf der anderen Seite und legen sich schlafen.« Er wies mit dem Kopf auf die unverändert abrollenden Aufnahmen. »Sehen Sie? Hallo? Mr Sicherheitsidiot? Schwer bei der Arbeit?« Er machte wieder das schnaubende Geräusch und startete die Bilderserie erneut.
Und dann plötzlich … »Halt«, rief ich.
Auf dem Monitor war ein Transporter an der Tür unter uns zu sehen. Ein Klicken, und das Bild wechselte. Jetzt stand ein Mann neben dem Transporter. »Können Sie näher rangehen?«, fragte Deborah.
»Zoomen Sie rein«, sagte ich, bevor er mehr tun konnte, als ein bisschen die Stirn zu runzeln. Er bewegte den Cursor, markierte die dunkle Gestalt auf dem Bildschirm und klickte mit der Maus. Der Bildausschnitt vergrößerte sich.
»Viel höher kann man das nicht auflösen«, sagte er.
»Die Pixel …«
»Klappe«, sagte Deborah. Sie starrte intensiv genug auf den Bildschirm, um ihn zu schmelzen, und als ich ebenfalls hinstarrte, konnte ich erkennen, warum.
Es war dunkel, und der Mann war immer noch zu weit entfernt, um sicher sein zu können, aber an den wenigen Einzelheiten konnte ich erkennen, dass er seltsam vertraut wirkte; die Art, wie er erstarrt in dem Computerbild stand, das Gewicht auf beide Füße verteilt und der Gesamteindruck seines Profils. Irgendwie, wie vage auch immer, entstand etwas. Und als eine laute Woge zischenden Kicherns vom Rücksitz meines Verstandes erscholl, überfiel es mich mit der Wucht eines Konzertflügels, dass er eigentlich genau so aussah wie – »Dexter …?«, krächzte Deborah irgendwie erstickt.
Ja, tatsächlich. Genau wie Dexter.
23
I ch bin ziemlich sicher, dass Deborah Mr Nicht-sein-Tag zurück in den Aufenthaltsraum gebracht hatte, denn als ich aufschaute, stand sie allein vor mir. Trotz ihrer blauen Uniform sah sie momentan ganz und gar nicht wie ein Cop aus. Sie wirkte besorgt, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie schreien oder weinen sollte, wie eine Mama, die von ihrem kleinen Jungen schrecklich enttäuscht wurde.
»Nun?«, bohrte sie, und ich musste zugeben, dass sie Anlass dazu hatte.
»Nicht besonders«, sagte ich. »Du?«
Sie trat gegen einen Stuhl. Er stürzte um. »Verdammt, Dexter, komm mir nicht mit deinen Klugscheißereien. Sag was. Sag mir, dass du es nicht bist!«
Ich sagte nichts.
»Gut, dann sag mir, dass du es BIST! Aber sag was. Irgendwas!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich …« Es gab wahrhaftig nichts zu sagen, deshalb schüttelte ich wieder den Kopf.
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich es nicht bin«, sagte ich. »Ich meine, ich glaube nicht.« Selbst für mich klang es so, als stünde ich mit beiden Beinen fest im Land der faulen Ausreden.
»Was soll das heißen, ziemlich sicher?«, bohrte Deborah. »Heißt das, du bist dir nicht sicher? Dass du die Person auf dem Bild sein könntest?«
»Nun«, erwiderte ich, alles in allem ein wirklich brillanter Gegenstoß. »Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
»Und bedeutet ›ich weiß nicht‹ dass du nicht weißt, ob du es mir sagen willst oder bedeutet es, dass du wirklich nicht weißt, ob du der Mann auf dem Bild bist?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich es nicht bin, Deborah«, wiederholte ich. »Aber ich weiß es wirklich nicht mit absoluter Sicherheit. Er sieht aus wie ich, oder?«
»Scheiße«, fluchte sie und trat wieder gegen den umgestürzten Stuhl. Er krachte gegen den Tisch. »Wie kannst du das nicht wissen, gottverdammt.«
»Das IST ein bisschen schwierig zu erklären.«
»Versuch’s.«
Ich öffnete den Mund, aber dieses eine Mal in meinem Leben kam nichts heraus. Als wäre nicht alles schon schlimm genug, schien ich plötzlich auch noch verblödet zu sein. »Ich … Ich hatte diese … Träume, aber – Deb, ich weiß es einfach nicht«, sagte ich, und tatsächlich habe ich wahrscheinlich gemurmelt.
»Scheiße, Scheiße, SCHEISSE!«, fluchte Deborah. Tret, tret, tret.
Und es war sehr schwierig, ihrer Analyse der
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