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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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nicht war. Gewiss nicht. Die Bilder würden ein winziges Detail zeigen, das bewies, dass die Ähnlichkeiten rein zufällig waren – und zweifellos war meine sonderbare Einstimmung auf diese Morde ebenso zufällig. Ja, es handelte sich eindeutig um eine Reihe vollkommen logischer, ungeheuerlicher Zufälle. Vielleicht sollte ich die Jungs vom Guinness-Buch anrufen.
    Ich fragte mich, was der Weltrekord für die Ungewissheit, eine Mordserie begangen zu haben, war.
    Ich legte eine Phillip-Glass-CD ein und setzte mich in meinen Sessel. Die Musik stimulierte die Leere in meinem Inneren, und nach wenigen Minuten kehrte so etwas wie meine übliche Gelassenheit und eiskalte Logik zurück. Ich setzte mich an meinen PC und fuhr ihn hoch. Ich legte die CD in das Laufwerk und betrachtete die Bilder. Ich vergrößerte Bildausschnitte und tat alles Mögliche, um die Aufnahmen schärfer zu machen. Ich versuchte Dinge, die ich nur vom Hörensagen kannte, und Dinge, die ich spontan entwickelte, aber nichts funktionierte. Am Ende war ich kein Stückchen weiter als zu Beginn. Es war schlicht unmöglich, eine ausreichend hohe Auflösung zu erreichen, um das Gesicht des Mannes auf den Bildern klar erkennen zu können. Dennoch starrte ich weiter auf die Aufnahmen. Ich stürzte sie und betrachtete sie aus verschiedenen Winkeln. Ich druckte sie aus und hielt sie ins Licht. Ich tat alles, was auch normale Menschen tun würden, und obwohl ich mit dieser Imitation sehr zufrieden war, entdeckte ich nichts, außer dass der Mann auf den Bildern aussah wie ich. Es war mir unmöglich, einen klaren Eindruck zu gewinnen, selbst seine Kleidung war verschwommen. Er trug ein T-Shirt, das ebenso gut weiß wie braun oder gelb oder sogar hellblau sein konnte. Die Parkplatzleuchte, unter der er stand, war eine dieser Argon-Lampen zur Verbrechensverhütung, die ein rosa-oranges Licht abgeben. Deswegen und wegen der geringen Auflösung konnte man unmöglich mehr erkennen. Seine Hose war lang, weit geschnitten und hell. Ebenfalls Standardkleidung, die jeder tragen konnte – ich eingeschlossen. Kleidungsstücke wie diese besaß ich in ausreichender Menge, um eine ganze Einheit von Dexter-Doubles damit auszustatten.
    Ich schaffte es, einen Teil des Transporters so weit zu vergrößern, dass ich den Buchstaben »A« erkennen konnte und darunter ein »B«, gefolgt von einem »R« und entweder einem »C« oder einem »O«. Aber der Laster stand schräg zur Kamera, und das war alles, was ich herausfinden konnte.
    Keines der anderen Bilder enthielt irgendwelche Hinweise. Ich schaute mir die Sequenz erneut an: Der Mann verschwand, erschien wieder, und dann war der Transporter fort. Keine guten Winkel, kein zufälliges Einfangen des Führerscheins – und keine Möglichkeit, mit absoluter Sicherheit festzustellen, ob es sich um den tief träumenden Dexter handelte oder nicht.
    Als ich endlich vom Computerbildschirm aufsah, war es draußen dunkel geworden, die Nacht war hereingebrochen. Und ich tat, was ein normaler Mensch sicherlich schon vor Stunden getan hätte: Ich gab auf.
    Ich konnte nichts mehr tun, außer auf Deborah zu warten. Ich würde meiner armen gequälten Schwester gestatten müssen, mich ins Gefängnis zu verfrachten.
    Immerhin war ich auf die eine oder andere Weise wirklich schuldig. Ich sollte wirklich eingesperrt werden.
    Vielleicht durfte ich mir sogar eine Zelle mit McHale teilen. Er konnte mir den Rattentanz beibringen.
    Und bei diesem Gedanken tat ich etwas ganz Wundervolles.
    Ich schlief ein.

24
    I ch hatte keinen Traum; erfuhr keine außerkörperliche Wahrnehmung; mir erschien weder eine Parade gespenstischer Bilder noch kopfloser, blutleerer Körper.
    Keine Vision von Zuckerpflaumen tanzte durch meinen Verstand. Nichts existierte, nicht einmal ich, nur dunkler, zeitloser Schlaf.
    Aber als das Telefon mich weckte, wusste ich dennoch, dass es um Deborah ging, und ich wusste, dass sie nicht kommen würde.
    Meine Hand schwitzte bereits, als ich den Hörer ergriff.
    »Ja«, meldete ich mich.
    »Hier ist Captain Matthews«, sagte die Stimme. »Kann ich bitte mit Officer Morgan sprechen?«
    »Sie ist nicht hier«, antwortete ich, wobei einem kleinen Teil von mir bei diesem Gedanken und dem, was er bedeutete, ganz flau wurde.
    »Hmpf. Also, ja, das ist nicht – wann ist sie gegangen?«
    Ich schaute instinktiv zur Uhr, es war 21:15 Uhr, und ich schwitzte noch heftiger. »Sie war gar nicht hier«, teilte ich dem Captain mit.
    »Aber sie hat sich zu

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