Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
lebloser, am schwarzen Brett eines Ermittlungslabors hängender Fotos war ihr geschlagener, hirntoter Bruder. Der arme, dumpfdumme Dexter, der mit rotierendem, den eigenen Schwanz jagenden Verstand in seinem Sessel kauerte und den Mond anheulte.
    Ich holte tief Luft. Wenn ich jemals ich hatte sein müssen, dann jetzt. Ich konzentrierte mich stark und beruhigte mich, und während eine kleine Menge Dexter zurückkehrte und die hallende Leere meiner Hirnhöhle füllte, wurde mir bewusst, wie menschlich und dumm ich geworden war. Es war wahrhaftig kein großartiges Mysterium. Eigentlich war es vollkommen offensichtlich. Mein Freund hatte alles getan, außer mir eine gedruckte Einladung zu schicken, auf der stand: »Wir bitten Sie, uns bei der Vivisektion Ihrer Schwester die Ehre zu geben. Schwarzes Herz erwünscht.« Aber selbst dieser kleine Tropfen Logik wurde von einem neuen Gedanken aus meinem pochenden Hirn gewischt, der sich unter dem Verströmen fauler Logik hineinbohrte.
    Ich hatte geschlafen, als Debbie verschwand.
    Konnte das bedeuten, dass ich es wieder einmal getan hatte, ohne davon zu wissen? Was, wenn ich Deb bereits irgendwo auseinander genommen und die Teile in einem kalten, engen Lagerraum aufgestapelt hatte und – Lagerraum? Woher hatte ich das? Das Gefühl des Umschlossenseins … die Angemessenheit des Kabuffs im Eishockeystadion … die kalte Luft, die über mein Rückgrat strich … Warum kam ich immer wieder darauf zurück? Denn das tat ich, egal was sonst vor sich ging. Ich kehrte zu diesen unlogischen Erinnerungen zurück, und ich konnte nicht erkennen, warum.
    Was bedeuteten sie? Und warum scherte mich diese Bedeutung auch nur einen Kolibrifurz? Doch gleichgültig, ob sie etwas bedeuteten oder nicht, ich hatte nichts anderes, womit ich weitermachen konnte. Ich musste einen Ort suchen, der dieser Empfindung von Kälte und nachdrücklicher Angemessenheit entsprach. Es gab einfach keine andere Möglichkeit: Finde den Kasten. Und dort würde ich auch Debbie finden und entweder mein Selbst oder nicht mein Selbst. War das nicht einfach? Nein. Es war überhaupt nicht schlicht und einfach, nur schlicht gedacht. Es war absolut sinnlos, den gespenstischen geheimen Botschaften, die aus meinen Träumen an die Oberfläche stiegen, irgendwelche Aufmerksamkeit zu widmen. Träume hatten in der Realität keinerlei Bestand. Sie hinterließen keine Freddy-Krüger-Spuren in der wirklichen Welt. Ich konnte doch nicht aus dem Haus rasen und psychisch ferngesteuert ziellos in der Gegend herumfahren. Ich war ein kühles, rationales Geschöpf. Und deshalb schloss ich kühl und rational meine Wohnungstür ab und schlenderte zu meinem Auto. Ich hatte nach wie vor keine Ahnung, wohin ich fahren sollte, aber der Drang, dorthin zu gelangen, hatte rasch die Zügel ergriffen und peitschte mich hinunter zum Parkplatz des Gebäudes, auf dem mein Wagen stand. Aber wenige Meter vor meinem getreuen Gefährt blieb ich unvermittelt stehen, als wäre ich gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
    Die Innenbeleuchtung brannte.
    Ich hatte sie gewiss nicht angelassen. Als ich den Wagen geparkt hatte, war es noch hell gewesen, und ich konnte sehen, dass die Türen fest geschlossen waren. Ein Dieb hätte die Tür offen gelassen, um das Geräusch beim Schließen zu vermeiden.
    Ich näherte mich langsam, absolut im Unklaren, was mich erwartete und ob ich es wirklich sehen wollte.
    Aus drei Metern Entfernung konnte ich etwas auf dem Beifahrersitz liegen sehen. Ich umkreiste den Wagen vorsichtig und spähte hinein, meine Nerven surrten, und ich spähte hinein. Und da lag sie.
    Wieder Barbie. Bald würde ich eine richtige Sammlung besitzen.
    Diese war mit einer kleinen Matrosenmütze, nabelfreiem Hemd und engen rosa Hotpants bekleidet. Mit einer Hand umklammerte sie einen winzigen Koffer, auf dessen Seite » CUNARD « aufgedruckt war.
    Ich öffnete die Tür und hob die Puppe auf. Ich nahm Barbie den kleinen Koffer aus der Hand und ließ ihn aufspringen. Ein kleiner Gegenstand fiel heraus und kullerte über den Wagenboden. Ich hob ihn auf. Er sah Deborahs Klassenring furchtbar ähnlich. Auf der Innenseite des Rings war D.M. eingraviert, Deborahs Initialen.
    Ich brach mit Barbie in meinen verschwitzten Händen auf dem Sitz zusammen. Ich drehte sie um. Ich bog ihre Beine. Ich winkte mit ihrem Arm. Und was hast du gestern Abend gemacht, Dexter? Ach, ich habe mit meinen Puppen gespielt, während ein Freund meine Schwester geschlachtet hat.
    Ich verlor

Weitere Kostenlose Bücher