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Des Todes Liebste Beute

Des Todes Liebste Beute

Titel: Des Todes Liebste Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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warteten, nestelte sie an den Latexhandschuhen, die ihre verschwitzten Handflächen bedeckten, und streckte dann den Arm nach dem Brief aus.
    »Darf ich?«
    Jack reichte ihr den Zettel mit einem Achselzucken. »Sie sind die Berühmtheit, Frau Staatsanwältin.«
    Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Das ist nicht komisch, Jack.«
    »Ich hatte auch keinen Scherz machen wollen«, erwiderte er. »Was meint er mit blauen Streifen?«
    Mit hämmerndem Herzen musterte sie die Seite in der Hoffnung, dass Jack etwas entgangen war, aber dem war nicht so. Sie drehte das Blatt, um zu sehen, ob auf der Rückseite vielleicht etwas zu finden war, das auf den Autor verweisen würde, aber natürlich gab es auch dort nichts. Es war ein schlichtes weißes Papier aus einem handelsüblichen Drucker, der in tausend Büros dieser Stadt stehen mochte. Kein Name, kein Hinweis, kein gar nichts. Nur drei Absätze, eloquente Worte und in ihrer Schlichtheit erschreckender als jeder Drohbrief, den sie in ihrer Laufbahn als Staatsanwältin je gelesen hatte.
    »Ich gehe davon aus, dass Sie bisher noch nie ein solches Schreiben erhalten haben?«, fragte Mia, während sie sanft an Kristens Handgelenk zog, damit sie den Brief auf den Tisch legte.
    Kristen schüttelte den Kopf. »Nein. So eins nicht.« Sie trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »So eins noch nie.« Sie schaute auf und sah, dass Abes Augen sie mit einer Intensität fixierten, die sie verstörte.
    »Lesen Sie ihn bitte noch einmal vor«, sagte er.
    »Also gut.« Kristen zwang sich, den ersten Satz zu lesen. »›Meine liebste Kristen.‹«
    »Er kennt Sie«, murmelte Spinelli, was ihr einen eiskalten Schauder über den Rücken jagte.
    »Oder er glaubt es«, wandte Abe ein und machte eine auffordernde Geste. »Fahren Sie fort.«
    Sie legte beide Hände links und rechts von dem Brief auf die Tischplatte, um nicht mehr länger mit den Fingern zu trommeln. »›Meine liebste Kristen. Irgendwann kommt es im Leben jedes Menschen zu einem Augenblick, an dem er für seinen Glauben eintreten muss und begreift, dass es ein Gesetz gibt, das über dem der Menschheit steht. Dies ist ein solcher Augenblick. Zu lange schon musste ich mit ansehen, wie Unschuldige litten und Schuldige ungestraft davonkommen konnten. Nun soll es genug sein. Und ich weiß, dass gerade Sie das zu schätzen wissen werden. Seit Jahren bemühen Sie sich, die Unschuldigen zu rächen und die Schuldigen für ihre Schandtaten büßen zu lassen. Aber nicht einmal Sie können Sie alle zur Rechenschaft ziehen. Anthony Ramey lauerte unschuldigen Frauen auf, misshandelte sie und nahm ihnen ihr Selbstvertrauen und ihre Würde, und obwohl sie sich ihrem Peiniger tapfer im Gerichtssaal stellten, wurde ihnen keine Gerechtigkeit zuteil. Heute jedoch ist dies geschehen. Heute können Sie beruhigt ins Bett gehen und friedlich schlafen, denn Sie wissen, dass Anthony Ramey seinem Richter gegenübergetreten ist.‹ Sie holte tief Luft. »Unterzeichnet mit ›Ihr ergebener Diener‹.« Ihre Finger hatten wieder zu trommeln begonnen, doch sie merkte es und presste die Handflächen erneut auf den Tisch. »Und dann haben wir hier noch das Postskriptum.« Sie öffnete den Mund, aber es wollten keine Worte kommen.
    Mia las die letzte Zeile für sie. »›Und wenn Sie aus irgendeinem Grund doch nicht schlafen können, empfehle ich die blauen Streifen.‹«
    Stille herrschte im Raum, bis Reagan leicht auf den Tisch klopfte. Sie blickte auf und sah seine finstere Miene. »Was soll das bedeuten, Kristen? Was bedeuten die blauen Streifen?«
    Kristen spürte, wie sich in ihrer Kehle etwas bildete, das sich verdächtig wie ein hysterisches Gelächter anfühlte. »Was machen Sie, wenn Sie nicht schlafen können, Detective Reagan?«
    Abe sah sie nachdenklich an. »Meistens stehe ich auf, sehe fern oder lese.«
    »Und Mia?«
    Mia musterte sie befremdet. »Manchmal fernsehen. Manchmal geh ich aufs Laufband. Warum?«
    Kristen stand auf und schälte die Handschuhe von ihren verschwitzten Händen. Sie nahm ein Papiertuch und trocknete sich die Hände ab. »Ich verschönere meine Wohnung.«
    Mias helle Brauen flogen aufwärts. »Bitte was?«
    Kristens Mund verzog sich zu einem selbstironischen Lächeln. »Ich arbeite ziemlich viel an meinem Haus. Ich habe die Wände gestrichen, die Holzböden abgeschliffen und versiegelt, ein neues Bad eingebaut. Letzten Monat habe ich mein Wohnzimmer tapeziert. Ich habe eine Woche lang Muster aufgehängt, weil ich mich

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