Des Todes Liebste Beute
zusammen?«
»Eine perfekte Möglichkeit, um klares Wasser zu trüben.« Abe notierte sich die Koordinaten der markierten Stellen auf den Karten. »Man rächt sich und nietet auf dem Weg noch ein paar andere um, damit der Verteidiger genug Raum hat, unter den Geschworenen Zweifel zu säen, falls man erwischt wird. Darin liegt eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit, würde ich sagen.«
»Ich finde es erstaunlich, dass unser ergebener Diener nicht gleich ein oder zwei Verteidiger miterlegt hat, wo er schon dabei war«, murmelte Mia.
Kristen betrachtete die Bilder, die Kleidung, die Karten. Die Briefe. »Freuen Sie sich nicht zu früh«, sagte sie ruhig. »Ich habe nicht den Eindruck, dass er mit seiner Kampagne schon durch ist.«
Mittwoch, 18. Februar, 23.00 Uhr
A be blieb wie angewurzelt am Fuß der Treppe stehen. Schon wieder sie. Eingehüllt in ihren voluminösen Mantel, stand sie an den Glastüren, die zur Straße hinausführten, und hatte das dicke rote Haar noch immer zu dem Knoten aufgesteckt, der ihm allein vom Ansehen Kopfschmerzen bereitete. Sie blickte durch die Scheibe auf die Straße. Ihr Profil hätte in Stein gemeißelt sein können, so reglos, wie ihr Gesicht wirkte.
Er war überrascht, sie zu sehen. Er war davon ausgegangen, dass sie direkt nach Hause gefahren war, als die kleine Gruppe sich vor einer halben Stunde getrennt hatte. Spinelli war in sein Büro zurückgekehrt, um ein paar Polizisten zu den voraussichtlichen Fundorten zu beordern. Und Mia war mit einem Karton voll mit Ray Rawlstons persönlicher Habe verschwunden.
Seine neue Partnerin war ausgesprochen effizient gewesen. Sie hatte jede Spur des Mannes getilgt, der zwanzig Jahre lang an diesem Tisch gesessen hatte. Er beneidete sie nicht darum, die Sachen ihres Partners der Witwe übergeben zu müssen. Auch er hatte vor Jahren einmal etwas Ähnliches tun müssen. Es hatte sich um die Baseballkappe seines Partners gehandelt, und er hatte dessen Witwe linkisch im Arm gehalten und verlegen ihren Rücken gestreichelt, während sie die Kappe an ihre Brust presste. Sie hatte weder im Krankenhaus noch bei der Beerdigung geweint. Doch als sie diese verdammte Baseballkappe in den Händen gehalten hatte, war es um ihre Beherrschung geschehen gewesen. Er war anschließend nach Hause gegangen und hatte auf den Sandsack in der Garage eingeprügelt, bis Debra ihn holen gekommen war. Sie hatte seine wunden Fingerknöchel geküsst, ihn in die Arme genommen und ihm all die tröstenden Worte ins Ohr geflüstert, die nur die eigene Ehefrau kennt.
Kannte.
Vergangenheit. Debra war fort, unwiederbringlich fort.
Gott, wie sehr sie ihm fehlte. Er erlaubte sich für einen kurzen Moment, der Sehnsucht nachzugeben und sich zu wünschen, dass alles anders wäre, sich zu fragen, wie es gekommen wäre, wenn. Dann bemerkte er, dass er noch immer wie angewurzelt auf der Stelle stand. Und Kristen Mayhews Profil anstarrte, die wiederum bewegungslos auf die Straße hinausblickte. Was wohl in ihrem Kopf vorgehen mochte? Es war anzunehmen, dass sie sich Sorgen machte. Dass sie Angst hatte. Und dazu hatte sie allen Grund. Auch wenn Spinelli einen Wagen abgestellt hatte, der stündlich an ihrem Haus vorbeifahren würde, auch wenn sie die Handynummern von ihm, Mia, Jack und Spinelli hatte.
Er setzte sich in Bewegung und räusperte sich, als er sich ihr näherte. »Bin ich noch außer Pfefferspray-Reichweite?« Im Spiegel der Glasscheibe sah er, wie sich ihr Mund zu einem kleinen, reumütigen Lächeln verzog.
»Sie haben nichts zu befürchten, Detective«, sagte sie leise. »Aber ich dachte, Sie wären schon weg.«
Er blieb ein paar Zentimeter hinter ihrer rechten Schulter stehen – näher, als er es beabsichtigt hatte. Aber nun konnte er ihren Duft wahrnehmen, und seine Füße weigerten sich zurückzutreten. Sie war vorhin ebenso nah bei ihm gewesen – als sie seinen Arm umklammert hatte –, aber da war alles Angenehme im Öl- und Abgasgestank untergegangen. Nun stellte er fest, dass sie gut roch. Hübsch irgendwie. Und er wünschte, er hätte es nicht bemerkt. »Ich bin auf dem Weg. Aber was machen Sie denn noch hier?«
»Ich warte auf ein Taxi.«
»Ein Taxi? Wieso?«
»Weil Ihre Behörde meinen Wagen beschlagnahmt und die Mietwagenfirma geschlossen hat.«
Abe schüttelte den Kopf. Natürlich. Er konnte nicht glauben, dass niemand von ihnen daran gedacht hatte, als sie sich vor einer halben Stunde getrennt hatten. »Haben Sie keinen Freund, den Sie
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