Des Todes Liebste Beute
nicht entscheiden konnte. Rosafarbene Rosen, grünes Efeu oder …« Sie stieß den Atem aus und warf das zerknüllte Papiertuch in den Mülleimer. »Oder blaue Streifen.« Sie wandte sich zu den anderen um, die sie betroffen anstarrten. »Wie ich sehe, verstehen Sie.«
»Also haben wir es hier mit einem selbstgerechten Spanner und Mörder zu tun«, sagte Mia ungläubig, und dieses Mal konnte Kristen ihr Lachen nicht unterdrücken. Zum Glück klang es nicht allzu hysterisch.
»Jack, ich brauche ein neues Paar Handschuhe. Schauen wir uns an, was noch in den Kisten ist.«
Jack gehorchte, und sie zog die trockenen Handschuhe über, während er vorsichtig gefaltete Kleidungsstücke aus der Kiste holte und sie in eine Plastikwanne legte. Ein ranziger Geruch erfüllte die Luft, und Kristen war plötzlich froh, dass sie noch nicht zu Abend gegessen hatte. »Wir werden sie im Labor entfalten und auf Fasern und weiteres untersuchen«, sagte er. »Hier ist ein Hemd … ziemlich blutig.« Er sah am Kragen nach dem Etikett. »Keine bekannte Marke. Eine Jeans. Ebenfalls mit etwas Blut versehen. Levi’s. Mit Gürtel.« Er verzog das Gesicht. »Boxershorts. Fruit of the Loom.«
»Und – wäre seine Mami zufrieden mit ihm?«, fragte Spinelli, und Jack lachte leise.
»Sie meinen, ob sie sauber ist? Als er sie angezogen hat, war sie es wahrscheinlich. Jetzt nicht mehr. Ein Paar Socken, ein Paar Nikes. Und ganz unten …« Er sah stirnrunzelnd in die Kiste. »Ich weiß nicht. Eine Art Kachel. Sehr besonnen von Ihrem ergebenen Diener, etwas auf den Boden zu legen, damit nichts Wichtiges verloren geht.« Er holte eine dünne harte Kachel hervor und drehte sie in den Händen. »Nobel. Das wird in die Geschichte eingehen. Ich glaube, es ist Marmor.«
»Dieser ganze Fall wird in die Geschichte eingehen«, sagte Kristen. »Was ist mit der nächsten Kiste, Jack? Die mit den Blades? Vielleicht ist da auch ein Brief dabei.«
Jack schnitt den nächsten Briefumschlag auf, und weitere Polaroids und Zettel rutschten heraus. »Er geht methodisch vor, Ihr ›ergebener Diener‹«, sagte er, als alle näher an den Tisch herantraten. »Nahaufnahme der Tätowierungen. Einschusslöcher.«
Kristen ballte die Faust, um die Finger ruhig zu halten. »Ist wieder ein Brief dabei, Jack?«
»Geduld, Geduld.«
»Das würdest du garantiert nicht sagen, wenn ein Typ in
dein
Wohnzimmerfenster glotzt«, sagte Mia, und Jack hatte genug Anstand, ein betroffenes Gesicht zu machen.
»Eine Karte mit einem Kreuzchen versehen … und ein Brief.« Er gab ihn mit ernster Miene an Kristen weiter.
»Na, toll.« Kristen überflog die Seite und schluckte, als sie das P. S. sah, das noch etwas persönlicher war als das letzte. »›Meine liebste Kristen. Wie mir scheint, haben Sie das erste Unterpfand meiner Wertschätzung noch nicht gefunden.‹« Sie blickte auf und entdeckte, dass Reagan sie genauso besorgt ansah wie zuvor. »Das klingt irgendwie angefressen.«
Reagan zog die Brauen zusammen. »Weiter.«
»›Einerlei – es ist schließlich nur eine Frage der Zeit. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass es Winter ist. So halten sie sich eine Weile.‹« Sie runzelte die Stirn, begriff plötzlich und warf einen Blick auf die Karte. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr Magen sich umzudrehen drohte. »Er scheint die Leichen zu meinen.«
»Ach, was haben wir aber auch für ein Glück«, bemerkte Mia bissig.
»›Diese drei Ganoven und Konsorten bedrohen unseren Frieden mit jedem Tag aufs Neue. Sie haben das Leben zweier kostbarer Kinder gestohlen, und allein dafür müssen sie sterben. Die Furcht, die sie braven, aussagewilligen Menschen eingeflößt haben, macht ihre Sünde umso schlimmer. Sie, Kristen, haben Ihre Schlacht im Gerichtssaal tapfer geschlagen, doch sie war verloren, bevor sie noch begonnen hat. Auch dieses Mal möchte ich meine Hoffnung ausdrücken, dass Sie gut schlafen können, sobald Sie erfahren, dass diese drei herzlosen Mörder sich nun vor ihrem Schöpfer verantworten müssen. Ich verbleibe – Ihr ergebener Diener.‹«
»Und das P. S.?«, fragte Abe.
Kristen sog bebend die Luft ein, bevor sie fortfuhr. »›Die blauen Streifen waren eine gute Wahl; Sie sind eine bewundernswert geschickte Handwerkerin. Dennoch würde ich es begrüßen, wenn Sie für Ihr nächstes Projekt eine andere Kleiderwahl treffen würden. Die Vorstellung, dass jemand Sie für etwas anderes als eine Lady halten könnte, ist mir ein Gräuel.‹«
Mia
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