Des Todes Liebste Beute
erinnerte die Zuschauer an ihr Interview mit der Zweiten Staatsanwältin, ASA Mayhew, am Nachmittag und an Mayhews Niederlage im Prozess gegen den Sohn des vermögenden Industriellen Jacob Conti. Sie war stolz auf sich, dass sie sich aufrichtig und besorgt anhörte, obwohl sie sich in Wahrheit höllisch über Mayhews öffentliches Versagen freute. Dann wandte sich die Zoe auf dem Bildschirm zur Seite –
Hübsches Profil, Mädchen!
–, und die Kamera fuhr zurück, um den berühmten Jacob Conti zu erfassen.
»Mr. Conti, was haben Sie bei dem Urteil Ihres Sohnes empfunden?«
Contis attraktives Gesicht nahm einen Ausdruck unendlicher Erleichterung an. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh meine Frau und ich sind, dass die Geschworenen ihn für nicht schuldig erklärt haben. Diese haltlosen Vorwürfe hätten sein junges Leben beinahe vollkommen ruiniert.«
»Manche sagen, es sei das Leben von Paula Garcia und ihrem ungeborenen Kind, das ruiniert ist, Mr. Conti.«
Seine Miene schmolz zu einem Ausdruck unendlichen Kummers. »Die Garcias besitzen mein tiefes, aufrichtiges Mitgefühl«, sagte er. »Ihr Verlust muss entsetzlich sein. Aber mein Sohn hatte keine Schuld daran.«
Sie beobachtete, wie sie auf dem Bildschirm nickte, selbst einen kurz Augenblick lang mitfühlend die Lippen schürzte und dann zum Hauptschlag ausholte. »Mr. Conti, was sagen Sie zu den Gerüchten, dass einer der Geschworenen bestochen worden ist?«
Ha!
Die Frage hatte ihn unvorbereitet getroffen. Aber er zügelte sein Temperament und hatte sich bewundernswert rasch wieder im Griff. »Ich gebe grundsätzlich nichts auf Gerüchte, Miss Richardson. Am wenigsten auf solch groteske Gerüchte.« Dann neigte er den Kopf in einem halben Nicken, und sie war entlassen. »Entschuldigen Sie mich. Ich muss wieder zu meiner Familie zurück.«
Ihr Ebenbild wandte sich wieder der Kamera zu. »Das war der Industrielle Jacob Conti, der für Paula Garcias Familie Mitgefühl empfindet, jedoch über die Rückkehr seines Sohnes erleichtert ist. Ich gebe zurück ans Studio.«
Zoe hielt das Band an und holte es aus dem Rekorder. Sie würde den Mitschnitt später auf ihr Masterband kopieren, auf dem sie alle ihre besseren Aufnahmen festhielt. Eine Art Portfolio, wenn man so wollte. Sie stand auf und seufzte wohlig, als die Seide wie eine Liebkosung über ihre Beine glitt. Sie liebte Seide. Der Mantel war ein Geschenk von einem Assistenten des Bürgermeisters gewesen. Eine Weile lang hatten sie sich gegenseitig die politischen Rücken gekratzt. Sie lächelte. Anschließend hatten sie eine Weile länger an anderen juckenden Stellen gekratzt. In ihren ehrlichen Momenten konnte sie zugeben, dass sie ihn vermisste, aber meistens vermisste sie bloß die Seide.
Bald würde sie in der Lage sein, sich selbst Seide zu kaufen. Bald würde sie in der Lage sein, sich alles zu kaufen. Denn bald würden es
ihr
Gesicht und
ihre
Stimme sein, die die Nachrichten zur besten Sendezeit repräsentierten. Sie begann, unruhig in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Sie brauchte eine Story. Die Rechnung, Kristen Mayhew – unnachgiebige Kämpferin gegen das Böse und Rächerin der Witwen und Waisen! – zu beschatten, war bisher immer recht gut aufgegangen, und Zoe war der Meinung, dass man nicht zu früh auf ein anderes Pferd setzen sollte. Geistesabwesend strich sie sich über den seidenen Ärmel. Sie musste herausfinden, was Kristen morgen früh auf dem Terminkalender stehen hatte.
Donnerstag, 19. Februar, 0.30 Uhr
Der Computerbildschirm leuchtete in der Dunkelheit des Raums. Das Internet hatte die Welt wirklich zu einem Dorf gemacht. Die Person, deren Namen er aus dem Goldfischglas gezogen hatte, residierte in einem der wohlhabendsten Bezirke der Stadt.
Es würde ihm nicht gelingen, die Nummer sieben zu Hause oder bei der Arbeit zu erwischen, das wusste er. Er musste ihn hinauslocken und zu dem Ort führen, den er sich zu diesem Zweck ausgesucht hatte.
Er blickte auf den Stapel Briefumschläge. Im Laternenlicht, das von der Straße durch die Vorhänge drang, leuchteten sie unnatürlich weiß.
Aber vorher hatte er einiges zu tun.
Donnerstag, 19. Februar, 6.30 Uhr
D ie Spurensicherung hatte die Stelle abgesperrt und bereits untersucht, als Reagan seinen Geländewagen vor dem Arboretum parkte. Im Inneren des Gebäudes blühten tropische Pflanzen, doch das spärliche Gras, das draußen wuchs, war braun und kümmerlich. Ein Nieselregen machte den Morgen noch
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