Des widerspanstigen Zaehmung
Blick zuzuwerfen, der es wagte, Jane anzusehen. Sie wiederum versuchte, elegant zu wirken und zugleich ihren Körper mit den Armen zu bedecken, bis auf einmal Chloe neben ihr auftauchte und flüsterte; „Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so wie Sie derart mit den Armen rudert, dass man meint, man hätte eine Windmühle vor sich. Halten Sie doch Ihre Röcke einmal ruhig, um Himmels willen."
„Ich kann nicht", gab Jane zurück.
„Wieso nicht?"
„Weil man geradewegs hindurchsehen kann, wenn ich es tue."
Mit hölzernen Schritten und finsterem, drohendem Blick bewegte Grayson sich über die Tanzfläche. Sobald der Tanz vorüber war, dirigierte er Jane mit frostiger Entschlossenheit in die dunkelste Ecke des Saals, wo sich die älteren Gäste versammelt hatten und von ihren Sesseln aus das Treiben mitverfolgten.
„Warum stehen wir wie die Mauerblümchen hier?", wollte sie in unschuldigem Tonfall wissen. „ Sollten wir uns nicht etwas mehr unter die Gäste mischen?"
„Ich bin nicht in der Stimmung dazu."
„Aber niemand sieht uns, wenn wir hier stehen."
„Das ist auch der Sinn der Sache, Jane." Er sah sie von oben bis unten an. „Heute Abend sieht man von dir nämlich etwas zu viel."
„Vielleicht solltest du Karten spielen", schlug sie vor.
„Vielleicht würde ich das auch", erwiderte er. „Allerdings habe ich alle Hände voll zu tun, dich vor all diesen wollüstigen Aristokraten in Brighton zu beschützen."
Sie sah an ihm vorbei und ignorierte dabei wohlweislich seinen wütenden Blick. „Oh, sieh mal. Ist das nicht deine alte Freundin? Mrs. Watson?"
„So ist es."
„Wäre es nicht höflich, sie zu grüßen?"
„Dazu bin ich nicht in der Stimmung", presste er hervor.
„Und wozu bist du dann in der Stimmung?"
Er verweigerte eine Antwort, auch wenn die nahe liegender nicht hätte sein können. Er - und mit ihm wohl jeder der anwesenden Männer - war in der Stimmung, ihr dieses unmögliche Kleid vom Leib zu reißen und über sie herzufallen. Wie eine unnahbare Göttin hatte sie die Sterblichen um sich herum herausgefordert, ihr zu beweisen, dass sie es würdig waren, ihre Aufmerksamkeit zu genießen. Heath hatte ihn gewarnt. Seine wilde Jane genoss jede Sekunde dieses Auftritts.
Spontan fasste er sie am Ellbogen und führte sie zu einer Seitentür. „Geht es hier entlang zum Erfrischungsraum?", fragte sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
„Nein, wir gehen nach Hause."
„Warum?"
„Um zu besprechen, was du besprechen wolltest."
„Was ist mit Chloe und Simon? Und Onkel Giles? Wir können sie nicht einfach hier zurücklassen."
„Ich werde die Kutsche anschließend wieder herschicken."
Sie sah über die Schulter in den gut besuchten Ballsaal. Audrey nickte zustimmend, als sie sie sah. Ihr gemeinsames Ziel war es gewesen, einen gewissen Halunken aus der Fassung zu bringen, doch auf einmal begann Jane zu zweifeln - zumal er sie in einem dunklen Korridor des Hauses an sich drückte, seinen Mund nur ein paar Zoll von ihrem entfernt.
„Willst du mich in den Wahnsinn treiben?", fragte Grayson leise. „Wenn ja, dann hast du es geschafft."
In seinen Armen konnte sie mühelos vergessen, dass er der Mann war, der einfach ihre Zukunft verplant hatte, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen. Und sie konnte auch vergessen, dass sie sich für den Rest ihres Lebens mit einem solchen Verhalten würde abfinden müssen. Sie wusste, sie gehörte längst zu ihm. Besiegelt worden war das Schicksal schon, als sich ihre Blicke in der Kapelle begegnet waren. An jenem Tag hatte sie einem anderen Mann Treue schwören sollen, doch den Platz dieses Mannes hatte Grayson eingenommen - der beste Verbündete und zugleich die schlimmste Bedrohung, die sich eine Frau vorstellen konnte.
„Was ist passiert?", war plötzlich Chloes Stimme zu hören.
„Jane ...", Graysons Blick wanderte über ihren Körper, „... ist es etwas kühl geworden."
„O weh", meinte Chloe mit gespielter Besorgnis, „dann wirst du sie nach Hause bringen müssen, Grayson. Audrey wird so lange auf mich aufpassen."
Sollte diese Bemerkung Grayson befremdlich vorgekommen sein, war er doch zu sehr von den Ereignissen abgelenkt, um darauf reagieren zu können. Jane hingegen wusste ganz genau, was Chloe wollte. Ihr gefiel es nicht, daran erinnert zu werden, dass der zweite Teil ihres Plans so bald wie möglich in die Tat umgesetzt werden musste.
Im Geiste hörte sie immer noch Audreys Worte: Sie müssen ihn überrumpeln, meine
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