Des widerspanstigen Zaehmung
Ballsaal.
Er hatte gründlich über Heaths Warnung nachgedacht und sich entschlossen, besser auf die Vorahnung seines Bruders zu hören. Die Zeit war gekommen, um reinen Tisch zu machen, zumal Jane eindeutig irgendetwas im Schilde führte.
Seine Gedanken kreisten um die Facetten ihres Charakters, die er kennen- und liebengelernt hatte. Einerseits war sie die vernünftige junge Dame, um die er in London angeblich geworben hatte, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Er bewunderte diese Seite an ihr. Sie passte perfekt zu der Art Frau, die seine Eltern für ihn ausgesucht hätten. Diese Jane war für einen Marquess die ideale Braut. Sie war höflich und kultiviert, und sie stellte ein Juwel in der Krone der Aristokratie dar.
Doch da gab es auch noch eine andere Jane, die rätselhafte Schönheit unter dem Hochzeitsschleier, die allein am Altar stand. Diese undurchschaubare Frau und ihre dubiosen Absichten sprachen seine dunkle Seite an, die Seite, die sich über alle Konventionen hinwegsetzte. Die Seite, die auch ihren letzten Schleier herunterreißen würde, damit er ihre unverhüllte Seele in all ihrem sündigen Glanz sehen konnte.
Dabei war es allerdings nicht so, dass er einer der beiden Janes den Vorzug gab. Was ihn vielmehr fesselte, war das Verschmelzen dieser so gegensätzlichen Züge zu einer Person. Es war diese' in sich so widersprüchliche Frau, die er liebte und die er zur gleichen Zeit überlisten wollte.
Für ihre Maskerade war es fast Mitternacht und damit Zeit, die Masken abzulegen.
Als sich vor der Garderobe ihre Wege trennten, strich Grayson mit dem Handrücken über Janes Gesicht. „Schau dir nur an, wie gerötet dein Gesicht ist, weil du dich in deinen Umhang hüllst. Niemand würde für möglich halten, welche Verführerin aus dir geworden ist. Ich kann es nicht erwarten, was du mir für diesen Abend bieten wirst."
Geziert senkte sie den Blick, im Geiste antwortete sie amüsiert: Warte nur, mein arroganter Liebling. Dich erwartet eine Überraschung. „Es ist alles etwas überwältigend, so in aller Öffentlichkeit als deine Geliebte aufzutreten, Grayson."
„Unsinn", gab er zurück und sah an ihr vorbei zu Chloe, die den Kopf verdächtig gesenkt hielt. „Du wirst eine Sensation sein." Das beabsichtige ich auch.
Er zog die Augenbrauen zusammen. „Hast du etwas gesagt, Jane? Ich höre nicht sehr gut, da in der Galerie die Harfe gespielt wird."
„Ich habe nichts gesagt."
Aufmerksam betrachtete er sie. „Leg lieber deinen Umhang ab, bevor du noch ohnmächtig wirst. Wir stehen hier so gedrängt wie eingelegte Heringe."
„Wie du wünschst, Grayson. Mein einziger Zweck ist es, dich zufriedenzustellen." Janes Stimme klang gefasst, doch ihr Herz schlug immer schneller. War sie im Begriff, den Löwen aus seinem Käfig zu locken? Wenn ja, wie sollte sie dann mit ihm umgehen?
„Was sagst du?", fragte er, als er sich wieder zu ihr umdrehte.
„Dass ich hoffe, dich niemals zu enttäuschen", antwortete sie leise.
Chloe drängte sich zwischen die beiden. „Wir sehen dich wieder, Gray, wenn wir uns schön gemacht haben. Wir sind schließlich nicht hergekommen, um den ganzen Abend im Flur zu stehen und zu reden."
Augenblicke später legte Jane ihren mit Seide besetzten Mantel an der Garderobe ab und flüsterte; „Ich kann mich nicht so all diesen Leuten, diesen Fremden zeigen, wenn ich aussehe wie eine Dirne aus dem East End."
„Sie sehen einfach bezaubernd aus", erwiderte Chloe, während sie das Abendkleid aus hauchdünner pfirsichfarbener Gaze betrachtete, das sie Jane aus ihrer privaten, noch nie getragenen Garderobe geliehen hatte. „Ich glaube, wir sollten es noch einmal ein wenig anfeuchten. Möchten Sie mehr Rouge für... "
„Nein!" Janes entsetzter Aufschrei ließ das junge Dienstmädchen an der Tür hochschrecken. „Ich zeige auch so schon mehr als genug. Ich könnte mir ebenso gut ein Spitzendeckchen umhängen."
Chloe musste ein amüsiertes Lachen unterdrücken. „Um Ihren Körper würde Sie sogar eine Göttin beneiden."
„Beneiden vielleicht, Chloe. Aber sie würde ihn nicht schonungslos bloßstellen."
„Ich möchte um nichts in der Welt Graysons Gesichtsausdruck verpassen, wenn er Sie sieht."
„Er wird außer sich sein", murmelte Jane.
„Genau darum geht es doch, oder nicht?"
Jane benötigte nur einen Moment, um im Trubel der Gäste die große Gestalt mit dem goldblonden Haar ausfindig zu machen. Modisch gekleidete Damen umschwärmten ihn in der Hoffnung, die
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