Des widerspanstigen Zaehmung
meinte er. „Vor allem, wenn wir ihr gegenüber loyal bleiben."
„Ich will es hoffen." Chloe ließ ein zaghaftes Lächeln erkennen. „Vielleicht fördert sie ja noch das Beste in dir zutage."
„Du meinst das Beste in mir, und nicht etwa die Bestie?"
Seinem Charme konnte sie einfach nicht widerstehen, daher musste sie lachen. „Das will ich für Jane nicht hoffen."
12. KAPITEL
Im Verlauf der nächsten fünf Tage spielte Grayson die Rolle des aufmerksamen Verehrers, der Jane zu Soireen, Vorlesungen und sogar zu einem spätabendlichen Essen mit einigen guten Freunden im Clarendon ausführte. Er machte sie mit den intellektuellen Vergnügungen seiner Welt vertraut, einem schillernden Reich, auf das sie zuvor nur einen flüchtigen Blick hatte werfen können. Anstatt in eine friedliche Anonymität einzutauchen, wie sie es sich erhofft hatte, feierte sie mit Lebemännern und Radikalen und freundete sich mit Schauspielerinnen, Glücksspielern und entthronten Künstlern aus Paris an. Sie besuchte die Docks, um zu sehen, wie Graysons jüngste Fracht aus China an Land geholt wurde. Mit jeder Sekunde, die dabei verstrich, wusste sie, dieses unrechtmäßige Vergnügen würde bald ein Ende nehmen. Doch gerade das wollte sie nicht.
Sie hatte mit einem Mal begonnen, jeden Augenblick zu genießen, den sie in dieser skandalösen Gesellschaft verbrachte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel gelacht. Grayson war arrogant, aber auch aufmerksam, und sie fühlte sich so sehr zu ihm hingezogen, dass sie fürchtete, es nicht mehr lange verbergen zu können.
Heute hatte sie einen bemannten Ballon im Green Park aufsteigen sehen, und auf dem Heimweg hätte sie um ein Haar alles gestanden. Es fiel ihr immer schwerer, ihr Geheimnis vor einem so klugen Mann zu verbergen, vor allem, wenn er ihr seine Hoffnungen und Ängste anvertraute. Während er über Familiengeheimnisse sprach, führte sie ihn weiterhin in die Irre. War es nicht sonst genau umgekehrt? War es nicht sonst der Halunke, der der jungen Dame etwas vormachte?
Wäre die Beziehung zu ihm nicht so persönlich geworden und hätte er sich nicht zur Aufgabe gemacht, die für ihn untypische Rolle des Helden zu spielen, wäre er womöglich genau der Richtige gewesen, um ihr und Nigel für ihre kühne Tat Beifall zu spenden.
Die Ironie des Ganzen war, dass Grayson Boscastle unter anderen Umständen genau der Mann gewesen wäre, an den sie sich hatte wenden können, um einen Rat einzuholen. Er wäre der treueste und verständnisvollste Freund, den man sich vorstellen könnte. Jane wünschte sich von Herzen, sie hätte einen Freund wie ihn verdient.
Caroline und Miranda schlichen in das dunkle Schlafzimmer ihrer Schwester und erspähten in der Finsternis die schlanke Gestalt, die sich auf dem Bett ausgestreckt hatte. Reglos wie eine aus Stein gehauene Figur lag Jane da, ein feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt, die Haare auf den Kissen ausgebreitet. Sie gab vor, fest zu schlafen, bis ihre Nerven das gebannte Schweigen ihrer Schwestern keine Sekunde länger aushielten.
„Geht weg, alle beide", zischte sie.
„O Jane", sagte Miranda mitfühlend. „Du siehst du sieht todmüde aus." „Vermutlich, weil ich das auch bin."
Caroline ließ sich aufs Bett fallen und sagte mit einer Mischung aus Gram und Überzeugung: „Ich hatte recht, Sedgecroft ist schrecklich."
„Nein." Jane zog das Tuch weg und protestierte: „Er ist wundervoll. Die Zeit mit ihm ist die beste, die ich bisher erlebt habe."
Verdutzt sahen ihre Schwestern sich an. „Erzähl", forderte Miranda sie auf und ließ sich neben Caroline auf die Matratze sinken.
„Ich werde euch gar nichts erzählen."
„Wenn du damit sagen willst", flüsterte Miranda, „dass er dich gleich in der ersten Woche verführt hat... "
„Natürlich hat er mich nicht verführt", widersprach Jane gereizt. „Er hat mich nur geküsst. Ein- oder zweimal."
„Und deshalb liegst du hier im Dunkeln?", wunderte sich Caroline.
„Wenn du jemals von Sedgecroft geküsst worden wärst, würdest du nicht eine so dumme Frage stellen. Womöglich wärst du nicht mal in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu sprechen."
„Es könnte sein, dass wir ihn falsch eingeschätzt haben", meinte Miranda nach langem Schweigen. „Er kann durchaus charmant sein, wenn man ihm die Chance dazu lässt."
„Gab es daran jemals etwas zu zweifeln?" Jane seufzte, als sie daran dachte, wie verführerisch dieser Mann sein konnte. „Gerade das macht ihn ja zu
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