Des widerspanstigen Zaehmung
„Chloe, du willst mir doch nicht wirklich weismachen, dass du den jungen Mann liebst."
„Vielleicht doch."
Mürrisch schüttelte er den Kopf. „Mir gefällt diese wilde Art nicht, die du dir angeeignet hast. Und mir behagt auch nicht deine Arbeit im Findelhaus und im Frauengefängnis, bei all den kriminellen Frauen und den Huren!"
„Niemand sonst kümmert sich um sie, Grayson", sagte sie mit einem Anflug von Leidenschaft in ihrer Stimme. „Sie haben keine Eltern, die auf sie aufpassen können."
Keine Eltern. Saß der Verlust so tief, dass sie sich bei diesen Frauen und Kindern mehr zu Hause fühlte als bei ihrer eigenen Familie?
„Ich mache mir Sorgen um dich, Chloe", gab er bestürzt von sich. „Wir alle tun das."
„Dann lass mich mein Leben so führen, wie es mir gefällt."
„Nicht, bis ich das gutheiße, was dir gefällt." Er stand auf und vergrub die Hände in den Taschen, während er hinter ihr auf und ab ging. „Vielleicht sollten wir dir einen Ehemann suchen, ich weiß es nicht. Jemanden, den Papa auch gutgeheißen hätte."
Schmerz verfinsterte ihren Blick, doch sie überspielte ihn rasch, ehe er erkennen konnte, was mit ihr los war. „Papa hätte mich die Wahl treffen lassen."
„Du weißt genau wie ich, dass das eine Lüge ist", konterte er prompt. „Er war ein Tyrann, Chloe, selbst wenn wir ihn geliebt haben. Er konnte einem von Zeit zu Zeit sehr wehtun."
„Sag so etwas nicht!", rief sie aus und sprang entrüstet auf.
„Aber es stimmt. Es heißt nicht, dass ich ihn nicht geliebt hatte oder dass er mir nicht auch fehlt."
„Ich will nach Nepal reisen", erklärte sie aus heiterem Himmel.
„Was?" Grayson glaubte, er habe sich verhört.
„Ich will nach Brandons Leichnam suchen."
Er stieß einen von Herzen kommenden Seufzer aus. Dass die Aasfresser von den sterblichen Überresten vermutlich nichts übrig gelassen hatten, wollte er ihr nicht sagen, auch nicht, dass Brandon und seine Gefährten in einer Schlucht gestorben waren, nachdem sie von Rebellen in einen Hinterhalt gelockt worden waren. Soweit er wusste, hatte niemand Chloe in die blutigen Details eingeweiht. Trotz der Anstrengungen von Heath und Drake, die Wahrheit zu enthüllen, wusste keiner von ihnen über alle Einzelheiten der Tat Bescheid.
„Das kommt nicht infrage, Chloe", sagte er und schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Es war Papas Idee."
„Vielleicht hatte er sich auf die Reise machen wollen.'*' „Devon sagt, er würde mich begleiten." „Dann werde ich diesem Teufel den Hals umdrehen, wenn er heimkommt." Der bloße Gedanke an die Gefahren, die mit einer solchen Reise verbunden waren, ließ seine sonst so tiefe Stimme etwas höher klingen.
Chloe starrte ihn an und kämpfte sichtlich gegen Tränen, die aus Trotz und Trauer geboren waren. „Eines Tages werde ich genau das tun, was ich sage."
„ Nicht, wenn ich es verhindern kann." Er legte seine Hände auf ihre Schultern, doch sie versteifte sich und wich seinem Blick aus. „Triff dich nicht wieder mit diesem Soldaten", erklärte er und hörte sich dabei so sehr wie sein Vater an, dass er innerlich zusammenzuckte.
„Den hast du vermutlich für immer vergrault", murmelte sie.
„Ich will es hoffen."
Auf einmal sah sie ihn an. Ihre Augen funkelten amüsiert. „Vielleicht hast du ja Jane auch vergrault."
Grayson musste ein Lachen unterdrücken, als er daran dachte, wie Jane ihm nach der Begegnung mit Chloe den Kopf gewaschen hatte. Wurde sie eigentlich von jedem unterschätzt? „Sie hat sich auf deine Seite gestellt, damit du es weißt."
„Ich mag sie, Grayson", meinte sie seufzend. „Jane hat etwas sehr Nettes an sich. Tu bitte nichts, was ihre Situation noch verschlimmern könnte."
Überrascht blickte er sie an. „Chloe, es hat zum Teil mit dir zu tun, dass ich nun mit ihr befreundet bin. Du hast mich in der Kapelle überzeugt, es sei richtig, ihr zu helfen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Es ist schon eigenartig, aber ich mag sie auch. Man kann sich so wunderbar mit ihr unterhalten."
„Versuch nur, diese Freundschaft nicht zu weit zu treiben", fügte sie ruhig an.
Erleichtert atmete er aus und fühlte sich versucht, sie wie die kleine Schwester, die sie für ihn immer sein würde, in die Arme zu nehmen. Jane war also die Verbindung, die ihnen helfen würde, ihre Beziehung wieder zu normalisieren. Jane, die vernünftige Friedensstifterin und unwissentliche Verführerin.
„Ich glaube, Jane kann sehr gut auf sich selbst aufpassen",
Weitere Kostenlose Bücher