Deshalb liebe ich mein Singleleben (German Edition)
endlich nicht mehr am Rockzipfel hängen?«
Ich schaute sie fassungslos an. »Was?«
»Das muss aufhören.«
»Moms Torte?«
»Du musst dein eigenes Leben anfangen! Du bist zweiundzwanzig und was hast du bisher gemacht?«
»Wovon redest du überhaupt?«, fragte ich und fühlte, wie Panik und Wut in mir aufstiegen. »Das hier ist unser
Zuhause
!«
»Dieser Ort hier ist für niemanden ein Zuhause mehr gewesen, seit dem Tag, an dem Mom die Diagnose erhielt.«
Ich fiel schwer nach hinten, als ob sie mich gestoßen hätte, während sie mit voller Kraft weitermachte. »Du solltest Bücher
schreiben
und nicht verkaufen! Du solltest da draußen sein und
dein
Leben leben, nicht das, was von anderen übrig ist.« Sie guckte zu mir rüber und ich war überrascht, als ich Tränen in ihren Augen sah. »Und schau mich ja nicht so an – Mom und Dad hätten dir ganz genau dasselbe gesagt.«
»Ach, ja?«, schoss ich zurück, alles verschwamm vor meinen Augen vor lauter Tränen, die ich nicht wegblinzeln wollte. »Und denkst du etwa, sie wären stolz auf dich, wie du Anrufe beantwortest? Dafür braucht man wohl auch eine Menge Talent!«
Sie machte ein seltsames würgendes Geräusch und es verging eine Weile, bevor sie weitersprach.
»Ich kann nicht glauben, wie egoistisch du bist«, sagte sie. Ich hatte ihre Stimme noch nie so kalt gehört. »Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht gerne heiraten würde und eine eigene Familie hätte? Du bist meine Schwester, nicht meine Tochter! Denkst du etwa, ich will den Rest meines Lebens damit verbringen, mich um dich zu kümmern? Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Für uns beide!«
Sie sprang vom Tisch auf und ließ mich weinend sitzen und es war so still, dass es mir in den Ohren hämmerte. Ich sah sie erst später in der Nacht wieder, als sie in mein Zimmer schlich und sich auf meine Bettkante setzte. Ich tat so, als würde ich schlafen, aber sie sah durch mich hindurch. Sie saß da und streichelte fast eine Stunde lang meinen Rücken. Das war wahrscheinlich der schlimmste Streit, den wir jemals hatten.
Die Küchenmaschine unterbrach meine Erinnerungen, während sie Bio-Zimtkekse pulverisierte und die Butter in einem Topf auf dem Herd schmolz. Ich tat beides zusammen und drückte die Mischung in Moms Kuchenform – ich weigerte mich, irgendeine andere zu benutzen –, bevor ich sie in den Ofen tat und anfing, die Creme zu machen.
Das Beste an Zitronentorte ist die Zubereitung der Creme. Heute hatte ich zwei perfekte Zitronen ausgesucht – leuchtend gelb und noch zartgrün an den richtigen Stellen – und ich konnte beinahe meinen Vater hinter mir hören, wie er mich zwingen will, die doppelte Menge Zucker zu nehmen. Genau wie er es immer mit meiner Mutter gemacht hatte. Wie ich mochte auch er saure Dinge besonders gern und würde nach jedem gaumenzwickenden Bissen von der Torte das Gesicht verziehen, bevor er seine Gabel sauber lecken und ein neues Stück aufspießen würde. Ich glaube, ich könnte Zitronencreme mit geschlossenen Augen machen. Die Art, wie sich der Löffel in der Creme bewegte, würde mir sagen, ob sie heiß genug ist, um fest zu werden. Nachdem sie die Creme vom Herd genommen hatte, damit sie im Kühlschrank abkühlen konnte, hatte Mom Olivia immer den Löffel gegeben. Wir hatten ein System: Olivia bekam die Reste der Creme (die sie am liebsten mochte) und ich kriegte die Teigkrümel (was ich am liebsten mochte).
Ich stellte die Schüssel in den Kühlschrank und meine Erinnerungen kamen wieder zurück.
Ich hatte mich zu Anfang vehement dagegen gewehrt, das Haus zu verkaufen, aber Olivia meinte, es wäre nichts als ein leeres Grab, wenn wir es behalten würden. Sie wollte da nicht mehr leben und ich wollte dort nicht ohne sie leben. Die Wahrheit war, dass ich Angst hatte, mein Zuhause zu verlassen, das letzte Überbleibsel der Familie, die ich mal gehabt hatte, und dass ich niemals mehr das Gefühl eines Zuhauses haben würde. Und ich wollte nicht nach da draußen, in eine Welt, wo nichts sicher oder verlässlich war. Aber ich hatte niemals auch nur in Erwägung gezogen, dass Olivia es nicht abwarten konnte, genau diese Welt zu entdecken, der ich aus dem Weg ging.
Und so war es. Wir verkauften das Haus und teilten das Geld auf, von dem meine Hälfte für die Unigebühren an der SUNY Stony Brook für einen Abschluss in Englisch und meinen Lebensunterhalt draufging. Danach ging ich dank eines Stipendiums an die NCLA, um einen Master
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