Deshalb liebe ich mein Singleleben (German Edition)
meine Babysitterin (die gleichzeitig die Managerin unserer Herde war) kam rein, als ich gerade ein Erdnussbutter-Sandwich aß. Sie sagte mir, ich solle raus in die Scheune gehen, denn eine unserer Kühe würde gerade ein Baby bekommen. Und ich erinnerte mich, wie seltsam sich das anhörte. Dachte sie, ich kannte den Unterschied nicht zwischen Babys und Kälbern? Ich nahm einen letzten Bissen, ließ mein Sandwich liegen und machte mich auf den Weg in die Scheune.
Das Erste, was mich traf, war der Geruch. Wie der Geruch einer Geburt. Falls du niemals bei einer Geburt dabei warst, versuche ich mein Bestes, das zu erklären. Es riecht wie stechende, feuchte Erde, mit einem starken Geruch nach Blut, der dir fast den Magen rumdreht. Aber gleichzeitig ist da diese fast fühlbare Aufregung, verschmolzen mit diesem überwältigenden Geruch – beinahe schwindelerregend, sodass ich sogar mit vier Jahren schon wusste, dass da eine starke Kraft entfesselt war in diesem Geruch. Die Kraft des Lebens.
Die Kuh brüllte. Und stampfte und stöhnte und ächzte. Sie zitterte. Ich sah erschrocken meine Mutter an, aber sie hatte noch nicht mal bemerkt, dass ich reingekommen war. Sie war viel zubeschäftigt, mit der Kuh zu sprechen, ihr gut zuzureden, sie zu beruhigen, glaube ich. Das Kalb lag falsch und ich erinnerte mich, dass ich das Erdnussbutter-Sandwich wieder im Mund schmeckte, während ich meiner Mutter zusah, wie sie ihren Arm bis fast zur Schulter in die Kuh steckte, um das Kalb zurückzuschieben und es herumzudrehen. Ich glaube, in dem Moment sah meine Mutter mich. Den Ausdruck auf meinem Gesicht kann ich mir nur vorstellen. Ich erinnere mich, wie sie irgendwas sagte von, zurück ins Haus gehen und vielleicht nächstes Mal. Sie warf mir einen letzten müden Blick zu, bevor sie sich wieder zu der Kuh drehte. Ihr wieder gut zuredete. Sie anflehte, Honey nannte und sie bat, es noch ein bisschen mehr zu versuchen.
Ich ging zum Eingang zurück, konnte aber einfach nicht weggehen. Stattdessen blieb ich auf der Türschwelle stehen und beugte mich zurück in die Scheune, unfähig rauszugehen.
Die Kuh kämpfte weniger und weniger. Ihr Brüllen wurde zu Schnaufen und irgendwann lag ihr Kopf einfach im Matsch vor ihr. Ich war zu Tode erschrocken und hatte Angst, wir würden sie verlieren; ich hatte vorher noch nie irgendetwas sterben sehen. Ich war zwar mehr als einmal beim Metzger gewesen (und versteckte mich jedes Mal im Auto – das ist auch noch so ein Geruch, den ich nie vergessen werde), aber ich habe nie irgendetwas tatsächlich sterben sehen. Ich war mir sicher, dass es das hier war.
Am Ende musste meine Mutter hinter der Kuh im Matsch und Mist sitzen, jeweils ein Bein um ihre Hüften gelegt und das Kalb an seinen Hufen herausziehen.
Das Kalb war tot.
Ich glaube, wir wussten es alle von Anfang an. Es sah so klein aus, ganz schief sogar. Und es roch nicht nach Geburt. Es roch nach gar nichts. Es sah einfach nur feucht aus und verlassen. Verloren.
Durch verschwommene Augen sah ich, wie die Kuh ihre zitternden Beine langsam unter sich brachte und sich nicht etwa zu dem entsorgten Kalb wandte, sondern zu meiner Mutter. Sie stupste die Hand meiner Mutter an, brüllte leise und sank wieder auf denBoden zurück. Es war das Menschlichste, was ich eine Kuh jemals habe machen sehen.
Ich erinnere mich, wie einer unserer Kuhhirten lachte: »Ich glaube, das hier ist eine wirklich dankbare Kuh«, während ich mich von der Türschwelle losriss und ins Haus rannte.
An diesem Abend weigerte ich mich zu essen, und obwohl ich Mom nie fragte, wo das Kalb hinkam, machte ich doch ein Grab am Rande unseres Feldes, mit einem Stock gekennzeichnet. Ich besuchte es jeden Tag, einen ganzen Monat lang, obwohl da gar nichts begraben war.
Und heute stand ich am Eingang, unfähig, irgendetwas anderes zu tun als zuzusehen, wie meine Krankenschwester der Mutter gut zuredete, die wiederum schnaufte und stöhnte und mit all ihrer Kraft kämpfte, obwohl sie wusste, dass es umsonst war. Sie hatte ihr Baby am Tag vorher verloren und die Geburt musste im siebten Monat eingeleitet werden.
Ich erinnere mich kaum an das, was wirklich passiert ist, und ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich es gesehen habe. Ich war zu sehr damit beschäftigt, Geburt und Scheunen zu riechen und meine Mutter zu hören, wie sie der armen, jungen Kuh gut zuredete. Sie war diejenige, die brüllte. Sie war diejenige, die kämpfte. Und am Ende war es kein Menschenkind, sondern
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