Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)
Toten. Es geschah am 31. Oktober, an Halloween. Viele, vorwiegend junge Leute erschienen in den seltsamsten Verkleidungen zu den Partys, während die Kinder mit ihren Plastiktüten von Tür zu Tür liefen und laut „Süßes oder Saures“ riefen. Aus diesem Alter war Frank mit seinen neunzehn Jahren längst raus. Daher war der Junge dort viel interessanter für ihn.
Frank versuchte, durch die wogende Menge näher an den unbekannten Schönen der Nacht heranzukommen, was recht mühsam war mit einem vollen Cocktailglas in der Hand. Schließlich hatte er es doch geschafft und lächelte den Unbekannten schüchtern an. So war er doch sonst nicht! Im Stillen dachte er nur: „Du Trottel benimmst dich ja wie ein kleiner Schuljunge.“
Doch angesichts der grazilen Gestalt und des etwas unnahbaren Gesichtsausdrucks des Unbekannten hatte es ihm glatt die Sprache verschlagen und sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. Zugegeben, eine Unterhaltung konnte man bei dem Lärm von Musik und Stimmengewirr eh nicht zustande bringen. Doch plötzlich wandte sich der junge Mann ihm zu und Frank konnte immer noch nicht feststellen, ob der andere nun Kontaktlinsen trug oder nicht. Seine Augen waren tatsächlich von einem tiefen Orangerot, in dem man zu versinken drohte.
Gerade wollte Frank den Mund öffnen, um einen seiner bewährten Flirtsprüche loszulassen, da griff der Fremde nach seiner Hand und zog ihn Richtung Ausgang.
Die kalte Oktoberluft schlug ihm wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Erst jetzt bemerkte Frank, dass er immer noch sein Glas in der Hand hielt. Der Junge lächelte ihn an. Trotz des dünnen schwarzen Shirts mit den durchscheinenden Ärmeln schien er nicht zu frieren. „Hier draußen kann man sich doch viel besser unterhalten“. Seine Stimme klang leise und gurrend. Wie selbstverständlich nahm er Frank das Glas aus der Hand, drückte es dem ratlos dreinblickenden Türsteher in die Hand und hakte sich bei ihm unter. Noch immer brachte Frank keinen Ton heraus. „Mein Name ist Enzio.“
„Äh, ich heiße Frank“
Damit war das Notwendigste besprochen, wie es schien und die beiden zogen durch die nächtlichen Straßen, als wären sie schon seit langem ein Paar. Tatsächlich sprachen sie nicht wirklich viel miteinander.
Frank konnte es nicht fassen. Klar, meistens hatte der gut aussehende Blonde Erfolg bei den Gleichgesinnten, doch so schnell hatte ihn noch keiner abgeschleppt. Und der andere schien auch nicht auf lange Reden aus zu sein. Verstohlen sah er ihn immer wieder von der Seite an. Er war ungewöhnlich, mädchenhaft, fremd und faszinierend. Seine Bewegungen glichen denen eines anmutigen Tieres, und er bewegte sich fast lautlos. Der leichte Herbstwind spielte mit den schwarzen Haaren und seinen weichen Mund umspielte ein leises Lächeln, wie das der Mona Lisa. Und diese wunderschönen, seltsamen Augen. „Offenbar ist er als Hexenmeister verkleidet“, dachte Frank. „Seinem Zauber würde ich gerne mal erliegen.“
Kaum gedacht, da hielt der Schöne an und ließ Frank in seinem Blick versinken. In einem Park küssten sich die Beiden das erste Mal, und dieser Kuss wirkte genauso seltsam wie die Augen von Enzio. Seine Aggressivität war fast erschreckend. Frank‘ Hände glitten über die schlanke Gestalt. Die Begierde in ihm war geweckt und die kühle Herbstluft vergessen. Das Frösteln wich einem heißen Gefühl der Lust, dem sich beide nur zu gerne hingaben.
Der nächste Morgen war dafür umso kälter. Frank erwachte auf einer Parkbank. Das Hemd halb offen, die meisten Knöpfe fehlten und das erste Laub raschelte unter seinen Füssen, als er vorsichtig aufstand. Und gerade dieses Rascheln kam ihm so unglaublich laut vor. Überhaupt, irgendetwas war anders an diesem Morgen, doch er konnte nicht genau sagen, was es war.
Sein Körper schmerzte nicht nur von der ungemütlichen Parkbank, Enzios Fingernägel hatten Kratzer auf seinem Rücken hinterlassen. Frank fluchte und setzte sich wieder hin, den Kopf in beide Hände gestützt. Krampfhaft versuchte er, sich an die letzte Nacht zu erinnern.
Doch das gelang ihm nur bis zu diesem Kuss. Welches Datum war heute? Ach ja, der erste November – Allerheiligen – richtig. Kaum hatte er sich erinnert, begannen die Kirchenglocken zu läuten und der Glockenklang hallte in seinen Ohren mit einer nie gekannten Lautstärke. So nah stand die Kirche doch gar nicht am Park. Wo hatte er überhaupt seinen Wagen geparkt?
Mit
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