Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)
erbautes, halb zerfallenes Kloster klebte.
Salvatore lächelte in sich hinein, als er das Gebäude sah. Das war genau das richtige für ihn. Dieses Kloster hatte eine lange Geschichte und er beschloss, dieser Geschichte ein neues Kapitel hinzu zu fügen.
„Was für ein schöner Name. Er passt hervorragend zu einem Kloster“, schwärmte Bruder Matteo, als di Angelo sich vorstellte. „Ich bin so froh, endlich wieder einen Arzt in der Nachtschicht zu haben. Dottore Ernesto wird leider seinen aktiven Dienst beenden müssen. Seine Lunge ist zu krank.“
„Nun“, erwiderte di Angelo mit einem charmanten Lächeln, „dann sind wir beide ja die Engel in der Nacht“. Bruder Matteo kicherte wie ein junges Mädchen.
„Wie wahr, und das ist unser Novize Desiderio“, stellte er den Jungen vor, der neben ihm scheu zu Boden blickte.
„Sehr erfreut. Dein Name bedeutet Herzenswunsch, nicht wahr?“ Der neu angekommene Doktor nahm die schmale Hand des Teenagers in die seine. „Du siehst wirklich aus wie ein kleiner Engel.“
„Aber Dottore, machen sie unser Nesthäkchen nicht noch eitel. Sie wissen doch, dass dies eine Todsünde ist“, meinte Bruder Matteo kopfschüttelnd mit vorwurfsvoller Miene.
„Verzeihung, Bruder.“
Der junge Mann neigte den Kopf beschämt darüber, dass der gerade angekommene Doktor wegen ihm gerügt wurde. Dieser lächelte jedoch.
„Aber, bitte, nennen Sie mich doch Salvatore.“
Seine schwarzen Augen mit den kleinen Lachfältchen und der schön geschwungene Mund mit den kleinen Grübchen ließen ihn wie einen frechen, großen Jungen erscheinen, wenn er lächelte. So gewann Salvatore ebenso die Herzen der Patienten im Sturm. Er war fleißig, pünktlich und kompetent. Allerdings wunderten sich die Mönche auch, dass er nie die Heilige Messe besuchte.
„Vielleicht hadert er mit Gott“, meinte Bruder Matteo, als der Novize ihn darauf ansprach, „wir alle haben doch manchmal einen inneren Kampf auszufechten.“
Er ahnte nicht, wie Recht er damit hatte.
Auch der 17-jährige Desiderio hatte Gefallen gefunden an dem jugendlich wirkenden Mann mit dem Dreitagebart, was sein Vorgesetzter gar nicht gerne sah. Aber da alle anderen Brüder sehr viel älter waren, war man in der Nachtschicht froh, dass junge Hände da waren, die helfen konnten. So blieb es nicht aus, dass auch das eine oder andere private Wort fiel und bald kannte di Angelo die ganze, bescheidene Lebensgeschichte des Klosterschülers.
„Sie tun diesen Dienst jetzt schon so viele Monate“, meinte Desiderio, als sie wieder einmal gemeinsam Dienst taten, „wollen Sie nicht lieber in die Tagesschicht wechseln?“
„Nein“, kam es sehr bestimmt zurück.
„Und warum nicht?“
Di Angelo blickte den Jungen mit einer Mischung aus Ärger und Nachsicht an. „Ich habe meine Gründe dafür, glaube mir.“
„Gott wird Sie dafür belohnen, dass Sie jede Nacht für seine Patienten opfern.“
Der Doktor lächelte, aber dieses Lächeln war eher zynisch und erreichte seine Augen nicht.
„So sicher bin ich mir da nicht“, sagte er leise. Desiderio blickte ihn erstaunt an. So kannte er den jungen Doktor gar nicht.
„Und wieso sind Sie dann hier? In der Stadt könnten Sie doch mehr verdienen.“
Di Angelo nickte. „Ja, aber mir geht es nicht um Geld. Ich habe auch eine Art … Gelübde abgelegt. Vielleicht begleiche ich auch nur eine Schuld. Und nun komm, wir müssen nach Signore Carlos sehen. Er wurde gestern operiert.“
Damit war das Gespräch beendet. Aber Desiderio dachte noch lange über diese Worte nach. Welche Schuld? Hatte er etwa ein Verbrechen begangen? Nein, nicht Dottore di Angelo. Er war so ein guter, warmherziger Mensch und alle hier mochten ihn. Dieses kleine Geheimnis machte den Arzt noch anziehender für den Teenager.
Es war ein warmer Spätsommerabend und pünktlich nach Sonnenuntergang saß Dottore di Angelo in seinem Dienstzimmer. Die kleine Souterrainwohnung im Hospital, die er sonst bewohnte, durfte niemand von den Mönchen betreten, darauf hatte der Arzt bei seinem Dienstantritt bestanden. Desiderios Ausbildung in der Krankenpflege wie auch zum Ordensbruder hatten Fortschritte gemacht. Im kommenden Jahr sollte er das Gelübde ablegen. Doch seit seiner Arbeit im Hospital waren dem jungen Mann immer wieder Zweifel gekommen. Was hatte er schon von der Welt gesehen? War es wirklich richtig, sein Leben hinter Klostermauern zu verbringen? Er
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