Desiderium
Ende der Halle, wo besagter Eingeweihter scheinbar gelangweilt abwechselnd auf seine Uhr und zu uns herüber starrte. »Ich lass es darauf ankommen!«
Nachdem wir einen Großteil des Bodens mit Matten ausgelegt, und ich mein übliches Aufwärmen hinter mich gebracht hatte, fragte ich: »Muss ich gegen dich kämpfen oder hast du es aufgegeben, wehrlose Mädchen anzugreifen?« Bewusst spielte ich auf den Nachmittag an, an dem er mich mit den Murmeln abschießen wollte.
Es gab seltene Momente, in denen er deshalb schuldbewusst aussah.
»Dankenswerter Weise bist du alles andere als wehrlos. Aber du hast Glück: Heute darfst du dich ganz an mir austoben. Anfangs.«
Zu meiner Schande musste ich im Nachhinein gestehen, dass ich mir das nicht zwei Mal sagen ließ.
Die Kampftechnik, die Jaron mir in den letzten Wochen beigebracht hatte, kannte ich nicht. Ich war zwar keine Expertin, aber mir erschien das Ganze wie eine Mischung aus klassischen asiatischen Bewegungen wie man sie in Filmen sah, etwas Akrobatik und je nach dem wie Jaron sich bewegte, erinnerte es mich an einen Tanz. Als ich Letzteres einmal bemerkt hatte, wurde ich mit einem heftigen Tritt vom Boden gehoben.
Ich war gut in dem, was ich tat. Ich wagte von mir behaupten zu können, dass es mir lag, mit Händen und Füßen zu kämpfen.
»Heb den Fuß höhe r, wenn du kannst«, riet er mir nach einer Weile.
In der Absicht ihn zu treffen, änderte ich Höhe und Winkel meines Fußes und trat zu. Unglücklicherweise verlor ich das Gleichgewicht und stolperte auf ihn zu. Da ich wusste, dass er mich nicht auffangen würde, fing ich mich gerade noch, wechselte den Standfuß und zog das Knie an, um mich damit wehren zu können, wenn er zu nah kam.
Jaron musste das vorausgesehen haben. Elegant wich er mir aus, stellte mir ein Bein und umfing meine Handgelenke mit einer Hand. Mit einem überheblichen Grinsen hob ich unser beider Arme, drehte mich darunter durch, bis seine verdreht waren und er mich lo slassen musste. Er wehrte meine erneuten Tritte ab, ließ es sogar zu, dass ich näher kam, um mich in eine Falle zu locken, doch ich blockte seinen Versuch ab, mich zu Boden zu ringen.
Letztendlich ging es so weit, dass ich mich absichtlich fallen ließ, sein Handgelenk genau so fest umklammerte wie er zuvor meins und ihn mit mir riss.
Als er auf dem Rücken neben mir lag, rappelte ich mich auf und beugte mich wie neulich über ihn.
Es dauerte keine zwei Sekunden, bis er sich meine Überheblichkeit zu Nutzen gemacht und mich überwältigt hatte.
»Gewonnen!«, bemerkte er grinsend.
Es war nicht gut, dass er das tat. Das musste ihm bewusst sein. Es war eine dieser Situationen, die sich in letzter Zeit häuften . Situationen, in der so bemüht unauffällig meine Nähe suchte, dass es schon wieder offensichtlich war. Andererseits befürchtete ich, er könnte bemerken, dass er mich nicht mehr vollkommen kalt ließ.
So auch in diesem Moment. Wieso musste mir ausgerechnet jetzt auffallen, wie gut er aussah? Mit den verstrubbelten blonden Haaren, den dunklen Augen, die anziehend tiefgründig wirken konnten. Nicht zu vergessen dieser muskulöse Körper an dem seine Trainingssachen aussahen, als sei Kleidung nur für ihn erfunden worden.
Kitschig, unnötig, zum Schreien. Aber er sah gut aus. Zu gut.
Beherrschung!, schrie ich mir in Gedanken zu.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Monsieur Belliers Anstalten machte, zu uns zu kommen. Er wurde nervös, wenn ich zu lange liegen blieb.
Jaron schien das ebenfalls zu bemerken. »Ich bin wirklich gespannt auf seine Reaktion, wenn er die Schwerter sieht.« Er lachte und sah mir dabei zu, wie ich aufstand und zu dem Stahlschrank ging, in dem wir zwei Schwerter von Darragh aufbewahrten.
»Meinst du die hier?«, fragte ich unschuldig. »Meinst du, wir sollten ihm zeigen, was man damit alles anstellen kann?«
Wenn wir sagten, dass wir auf alles vorbereitet sein wollten, dann meinten wir das neuerdings auch so.
17:30: Buch der Wächter & Latein
Wieder einmal musste ich meinem Großvater Rede und Antwort stehen. Monsieur Belliers hatte einen alarmierenden Bericht abgegeben, dass ich mich in unnötige Gefahr brächte. Ganz zu schweigen davon, dass mein Kontakt zu gewissen Sehnsüchten ihm dabei nicht gefiel.
Bis zum Abendessen erklärte ich, dass er dem neuen Trainingsplan zugestimmt hatte und dass wir nichts taten, dass ich nicht gebrauchen könnte. Auffällig fand ich dabei, dass wir nur über die Gefahren beim
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