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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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Klammergriff ihres Angreifers zu befreien. Nach Atem ringend donnerte sie ihren Kopf gegen seinen. Gleichzeitig trat sie ihm zwischen die Beine. Mit einem Schmerzensschrei schleuderte er sie gegen den Balken, an dem bereits andere mit blutenden Kopfwunden lagen.
    Die erneute Erschütterung reichte, damit das morsche Holz nachgab. Der Stützbalken brach in sich zusammen und riss einen Teil des Gebäudes nach unten.
    Staub wirbelte auf und vernebelte Jarons Sicht. Druck legte sich auf seine Ohren. Nur schwach drangen Schreie zu ihm durch, die er nicht zuordnen konnte.
    Als sich das Gröbste wieder gelegt hatte, schien alles verschüttet.
    Erleic htert atmete er auf, als er sah, dass Lillian verschont geblieben war. Der Staub brachte sie zum Husten, ansonsten schien sie unverletzt.
    Aber wo war Cassim?
    Er bahnte sich seinen Weg zu ihr, wo nun ein Berg an Schutt und Asche lag. Wie von Sinnen begann er zu graben. Mit jeder Sekunde, in der nichts von ihr sah, wurde er panischer. Mehrmals rief er ihren Namen. Er musste sie finden. Ihr durfte nichts Ernsthaftes passiert sein …  Endlich spürte er den leichten Stromschlag, auf den er gewartet hatte. Erleichtert schob er die letzten, größeren Teile von ihr, bis er sie vollständig sehen konnte. Sie war vollkommen dreckig, ihre Stirn blutete, aber sie war bei Bewusstsein.
    Aber ein tischplattengroßes Stück Beton lag auf ihrer Brust.
    »Mir geht’s super«, behauptete sie, als sie seinen Blick sah.
    Er schnaubte ungläubig.
    »Doch ehrlich.« Ihre schwere Atmung verriet ihm, dass sie log. »Hol mich hier raus und ich zeig dir, wie gut es mir geht.«
    Gerade als er begann, sie zu befreien, rutschten weitere Teile aus dem klaffenden Loch über ihnen nach. Instinktiv beugte er sich über sie, fing alles, was Cassim zu treffen drohte mit dem Rücken ab.
    Es war pures Glück, dass ihn nichts davon erschlug.
    »So sehr ich deine Mühe auch schätze«, keuchte sie, als es vorbei war. »wäre es mir doch lieber, wenn du von mir runtergehen könntest.« Sie stockte. Trotz des Drecks sah Jaron wie sie blass wurde. »Lillian!«
    »Ihr geht’s gut«, versicherte er ihr. »Sie wird sich erholen.«
    »Nein.« Cassim hustete heftig, sie röchelte. »Lillian!«
    Jaron folgte ihrem Blick und hatte das Gefühl aus großer Höhe auf hartem Boden aufzuschlagen.
    Der Nachrutsch hatte einen weiteren Balken in zwei Teile gespalten – direkt vor Lillian. Die abgebrochene, scharfe Spitze des unteren Teils war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Eine falsche Bewegung und sie würde sich direkt in ihren Hals bohren.
    »Verdammt!«
    Er wusste nicht, was er tun sollte.
    Würde er zu Lillian gehen, würde die Bewegung Cassims Lage w omöglich ebenfalls verschlimmern, die Luft könnte ihr endgültig abgeschnürt werden. Aber wartete er zu lange, würde er Lillian auf dem Gewissen haben. Wenn er Lillian rettete und Cassim starb, würde Lillian zu einem Echo werden. Er könnte sie noch sehen, doch sie wäre nicht mehr dieselbe. Und Cassim würde er nie wieder sehen. Rettete er Cassim, würde Lillian sterben, was Cassim in den Wahnsinn treiben könnte. Er wollte sich keiner der beiden Situationen ausmalen.
    Erneut besah er sich beide Mädchen: Lillian, unverletzt, aber schwach, unwissend, wie sie in diese Situation gekommen war. Cassim, g eschwächt, aber grundsätzlich erfahren und stark; so stark, dass es selbst ihn noch gelegentlich überraschte.
    Dann wusste er, was zu tun war.
    Unter Anstrengung mobilisierte er alle Kraft und stemmte sich gegen die Betonplatte Wie es ihm letztendlich tatsächlich gelang, sie zu befreien oder sie oder sich selbst zu verletzen, wusste er auch später nicht. Die Hauptsache war nur, dass er sein Ziel erreicht hatte.
    Er streckte eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen.
    »Schaffst du es?«, fragte er sie.
    Sie erwiderte seinen Blick, schien zu verstehen, was er vorhatte, dann nickte sie.
    Cassim hielt kurz inne und presste sich eine Hand auf die Brust, keuchte. Sie bewegte sich langsamer als gewöhnlich, aber dennoch erstaunlich gut.
    Alles musste jetzt schnell gehen.
    Jaron kehrte zurück zu Lillian, bemüht nichts zu berühren, was sich oberhalb seiner Hüfte befand. Da sich der Balken selbst, zum Teil begraben, nicht wegschieben ließ ohne Lillian zu töten, beugte er sich vor und zog ihren Körper langsam unter dem Balken hindurch zu sich.
    Sie hatte die Nische noch nicht vollständig verlassen, da bekam das Holz einen letzten Ruck und schnellte vor.
    Cassim, zwei

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