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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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Augen nicht schließen. Noch mehr Blut strömte aus Jaron heraus. Er hatte die Zähne zusammengebissen, um keinen Laut von sich geben zu müssen.
    Auf Darraghs Gesicht trat ein blasiertes Grinsen. »Ich hatte gehofft, dass es dazu kommen würde. Wie schön, dass du fragst. Wer wäre ich schließlich, wenn ich meinem allerbesten Freund in seinen letzten Momenten nicht die Frage beantworte, die ihm so viel Kopfzerbrechen bereitet. Natürlich abgesehen von der Frage, ob es sich lohnen würde, Lillian für dich zu verlassen, Cassim. Da habe ich dich ganz schön durcheinander gebracht, nicht wahr, Jaron?«
    Während er sprach, versuchte ich mir unbemerkt beide Hände zu verdrehen, um freizukommen. All die Übungen in den letzten Wochen konnten doch nicht nutzlos gewesen sein. Denn was war eine größere Notsituation als eine psychopathische Sehnsucht? Aber als Darragh den Mund schloss, war ich zu verdutzt, um weiterzumachen.
    Ich sah Jaron an, dessen Hautfarbe allmählich ungesund käsig wurde.
    Nein, genau das will er: Ablenkung. Lass ihn auf gar keinen Fall die Oberhand gewinnen , meldete sich eine Stimme in meinem Kopf.
    Ich kniff die Augen zusammen. » Und was für ein tolles Geheimnis soll das sein, wenn du so sehr darauf brennst, es zu lüften?«
    Der sehr reale und alles andere als sprichwörtliche Tritt unter die Gü rtellinie ging dieses Mal wieder an mich. Angesichts der Schmerzen und des vielen Blutes, das nicht in, sondern auf Jaron war, rebellierte mein Magen. Ich beherrschte mich soeben noch.
    Darragh würde es nicht gefa llen, wenn ich ihm auf die Füße oder ins Gesicht kotzte. Ich wollte es gerne tun, doch dann würde er Jaron bestimmt bei vollem Bewusstsein ein Organ herausschneiden.
    Währenddessen ging Darragh sich durch das fettige, schwarze Haar. »Du brauchst gar nicht erst so zu tun als wüsstest du nichts, Cassim. Du weißt sehr genau, wovon ich rede. Oder denkt ihr beide wirklich, eure kleine, süße Liaison nach eurem angeblich so unbedeutenden Kuss wäre unbemerkt geblieben? Die heimlichen Blicke und Bemerkungen, die ach so unauffälligen Berührungen. Nicht zu vergessen euer kleines nächtliches  Date – ups, nein wie dumm von mir. Hab ich da jetzt was verraten oder hast du ihr inzwischen erzählt, dass es genau das sein sollte, Jaron? Dabei habt ihr nicht einmal den Grund erkannt …«
    Ich unterbrach meine Befreiungsversuche sofort, als sein Blick auch wieder auf mich fiel. »Ich weiß, was du versuchst. Aber das wird nicht funktionieren. Ich habe bereits herausgefunden, dass es Lillian ist, die meine größte Sehnsucht verkörpert«, funkelte ich ihn an.
    » Das weiß ich. Eben das macht das Ganze doch erst richtig spannend. Du bist die womöglich mächtigste Auserwählte aller Zeiten, Cassim. Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass in dir so viel Sehnsucht herrscht wie in kaum einem anderen Menschen? Hast du dich nie gefragt, ob jemand wie du sich nicht auch nach mehreren Dingen sehnen kann? Lillian und Jaron zum Beispiel? Es war doch immer überraschend, wie groß sein freier Wille ist, oder? Wie besonders er dir selbst unter den Sehnsüchten erschien.«
    Vehement schüttelte ich den Kopf.
    »Er ist so stark, weil er unter der Fuchtel einer Durands’ steht, unter deiner. Er erscheint dir so besonders, weil du es so wolltest. Ihr glaubt euch ineinander verliebt zu haben, aber das dürfte nur ein Nebeneffekt eurer Verbindung sein, nichts Echtes. Das solltet ihr allein daran gemerkt haben, dass Jaron dich kaum berühren kann. Das Objekt darf sich niemals mit seinem Schöpfer zusammentun …«
    Obwohl er an diesem T ag seine eigenen Leute verletzt oder sogar getötet hatte, obwohl er sich nicht sicher gewesen war, Lillian retten zu können und obwohl er dank Darragh eine Menge Blut verlor, hatte ich Jaron noch nie so blass werden sehen.
    Mein Herz hämmerte wild in meiner Brust. »Das …«, entgegnete ich krächzend. »kann nicht sein. Sonst wäre es doch unlogisch, dass Jaron und Lillian zusammen sind. Schließlich beruht ihre Beziehung auf einer Sehnsucht.«
    Darragh hüstelte amüsiert. »Beantwortest du damit nicht schon einen Teil der Frage, warum Jaron deine Sehnsucht ist? Du willst ihn. Du willst ihn als jemanden, der nur für dich da ist, als jemanden, der dich von allem ablenkt. Ich konnte das bereits von weitem erkennen, also solltest du dir das selbst auch eingestehen können. Nur dummerweise drückt sich deine Sehnsucht nach einer Beziehung darin aus, dass sie zusammen sind.

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