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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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von ihm entfernt lag etwas, dass einmal ein goldener Bilderrahmen gewesen sein musste. Das Metall war verzogen, das Bild darin nicht mehr zu erkennen. Das Etwas, das seine Beine eingequetscht hatte, war der steinerne Holztisch gewesen.
    »Ich glaube, ein ‚Danke’ wäre angebracht«, gab er dann zu, während sein Blick an ihr hängen blieb.
     
    *
     
    Obwohl ich ihn gerade davor bewahrt hatte lebendig begraben zu werden, genügte ein Blick von ihm, um mir bewusst zu machen, dass ich noch immer meine Schuluniform trug.
    Spontantreffen hatten definitiv Nachteile, wenn das hieß, dass man vor jemandem wie Jaron einen Rock tragen musste.
    »Ich hab mich beeilt.« Mein Herz pumpte viel zu hektisch . »Du warst nicht zu überhören, vielen Dank dafür.« Mit einer Hand massierte ich mir die Schläfen. Allein die Erinnerung an den Lärm in meinem Kopf reichte, um mich zusammenzucken zu lassen.
    Gehörte eigentlich ein Arzt, der einem alles verschrieb, was man wol lte, zum Repatoire der Eingeweihten? Ein Versuch wäre es wert.
    Kurzzeitig sah Jaron so aus, als wolle er darauf etwas erw idern. Ein Ausdruck, mit dem ich nicht gerechnet hatte, zuckte über sein Gesicht. Konnte es Verwirrung sein?
    »Aber …« B evor er den Satz beendete, ließ er das Thema von sich aus fallen. »Was machst du hier?«, fragte er.
    »Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass das Befreien aus einstürzenden Häusern nicht auf unserem Trainingsplan stand. Oder ist das eine neue Form des Extremcampings, das du ausprobieren wolltest?«
    »Ich wollte mich mit jemandem treffen …« Abrupt erhob er sich und blickte sich um. Sein Blick blieb dort hängen, wo ein halbes Sofa mit faustdicken Brandlöchern stand. »Wo ist sie?«
    »Wer ist wo? Jaron, hat dein Kopf wirklich nichts abbekommen?«
    »Ich hatte eine Spur«, herrschte er sie an. »Eine Frau hat beobachten können, wie, wann und wo eine unserer Vermissten ve rschwunden ist.«
    »Und? Hat sie dir etwas sagen können?«
    Ich sah ihn mir genau an. Wie so oft ging er sich durch das ohnehin verstrubbelte Haar. Seine flaschengrüne Hose hatte Löcher – aber ich war mir nicht sicher, ob das nicht gewollt war – und das graue Hemd mit den abgeschnittenen Ärmeln musste einmal weiß gewesen sein, am aufgerichteten Kragen konnte man es noch erkennen. Ansonsten schien er bis auf ein paar blaue Flecken tatsächlich unverletzt.
    Er schüttelte den Kopf. »Das Haus ist zusammengebrochen, bevor sie auch nur einen Mucks machen konnte. Ich sehe sie nicht. Sie muss es rechtzeitig geschafft haben. Hast du sie nicht gesehen?«
    »Nein, niemanden. Was daran liegen könnte, dass ich nicht genau weiß, wie ich hierher gekommen bin.«
    »Wie meinst du das? Wir waren doch schon einmal hier.«
    Entspannter als es in der Situation angemessen war, zuckte ich mit den Schultern. »Ich bin aber nicht durch das Portal in der Villa gekommen.« In knappen Sätzen erzählte ich ihm von der Anziehung, die ich im Unterricht gespürt hatte. »Plötzlich bin ich durch den Keller der Schule gerannt . Im nächsten Augenblick hatte ich dieses ‚Gefühl’, das ich nur habe, wenn ich hierherkomme. Als ich dieses Haus gesehen habe, wusste ich, dass ich hierher kommen muss. Ich bin übrigens die Einzige, die das gekümmert hat; Sehnsüchte sind wirklich ignorant«, fügte ich hinzu.
    Mit einem Seufzer ge sellte Jaron sich wieder zu mir. »Erst verliere ich eine Zeugin und dann entdeckst du durch Zufall eines der weiteren Portale. Nicht gerade einer unserer langweiligsten Tage, oder?«
    » Da hast du vermutlich einmal recht. Folgender Plan: Erst einmal sollten wir hier weg. Anschließend überlegen wir, was bei dir passiert ist. Und dann fände ich es wichtig zu wissen, warum du wusstest, dass es mehrere Portale gibt, ich aber nicht. Einverstanden?«
    Jaron nickte. »Wenn wir schon gehen, sollten wir uns direkt auf den Weg zu Darragh machen. Er wollte ohnehin mit dir reden und was hier passiert ist, wird ihn sicherlich interessieren.«
     
    Nr. 8: Verheimliche den Eingeweihten nichts
     
    »Es könnte ein Erdbeben gewesen sein«, bemerkte er nachdem wir die Ruine hinter uns gelassen hatten.
    Ich schnaubte skeptisch. »Ein Erdbeben. Du meinst ein echtes Erdbeben, mit allem drum und dran?« Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht einmal gewusst, dass er dieses Wort kannte.
    »Hast du jetzt neben dem Fühlen auch noch das Denken ve rlernt?«, zischte er. Von einer Sekunde auf die andere war er

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