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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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sichtlich angespannt. Vermutlich war er in seinem Stolz gekränkt. Er hatte sich von mir retten lassen müssen.
    » Du behauptest doch immer, dass meine Gefühle bald zurückkehren. Wenn das dasselbe für mein Denken bedeutet, brauchst du dir darüber keine Gedanken zu machen«, murmelte ich. Etwas lauter fügte ich dann hinzu: »Hast du noch andere Theorien oder muss ich jetzt den Rest meiner Tage befürchten, du könntest dir bei jedem Wackeln in die Hose machen, weil wir den Ursprung nicht kennen?«
    »Ich habe keine Angst! «, protestierte er. Irgendwo hatte ich diesen Satz schon einmal gehört. Gut, vielleicht auch zwei Mal. Oder drei Mal. »Weißt du für jemanden, der angeblich kaum etwas empfindet, bist du verdammt pessimistisch.« Für einen Augenblick kehrte das herausfordernde Funkeln aus vergangenen Trainingsstunden in seine Augen zurück.
    Ich setzte ein falsc hes Lächeln auf. »Berufsrisiko.«
    »Also gut. Aber was sollte sonst passiert sein?«, fragte er.
    »Wie wär’s mit Entführung? Jemand wollte nicht, dass du mit der Ze ugin redest und damit du es nicht bemerkst, haben sie das Haus einstürzen lassen.«
    »Unmöglich. Das hat Darragh dir doch schon erklärt. Um kriminell sein zu können, muss man entweder von deiner Blutlinie abstammen oder einen starken Verbundenen haben, der zur Kriminalität neigt.« Wie so oft beharrte er auf den Regeln. In dieser Hinsicht hatte Darragh ihn außerordentlich gut erzogen.
    »D as sagt ihr mir alle. Dass nur ich in der Lage bin, etwas so Großes zu tun, egal ob legal oder illegal. Dass das Machtverhältnis ansonsten unausgeglichen wäre. Blah, blah. Falls es noch niemand bemerkt hat, in den letzten Jahren ging bei uns so einiges schief, was nicht ganz den Regeln entsprach: Erst wird die Generation meines Großvaters übersprungen, fast dreißig Jahre später heiratet mein Vater die Nachfahrin eines alten Clans und meine Tante stirbt. Dann stirbt mein Vater auf noch immer ungeklärte Weise. Und schließlich taucht mit mir die erste Auserwählte mit doppelten Voraussetzungen seit Ewigkeiten auf und hier verschwinden unnatürlich viele Sehnsüchte. Also warum sollte nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sie entführt wurden – inklusive deiner Zeugin?«
    Jaron musste zugeben, dass meine Theorie grundsätzlich Sinn ergab. Auch wenn weder ihm noch mir ein Grund einfiel, warum sich jemand an Sehnsüchten vergreifen sollte.
    »Ich werde Darragh bitten, ein paar seiner Leute loszuschicken. Vie lleicht finden sie sie. Jedenfalls hätten wir dann Gewissheit«, beschloss Jaron. Er klang erschöpft.
    Möglicherweise hätte ich etwas Aufmunterndes sagen sollen.
    »Gut. Dann können wir ja jetzt zu den Portalen kommen«, sagte ich stattdessen, während wir die Stadt verließen.
    Wie so oft machte er eine halbe Drehung und ging rückwärts, um mich ansehen zu können. Er zog die Schultern hoch. »Bis vorgestern wusste ich davon auch nichts. Ich hab mich mit Darragh unterhalten und er hat zugegeben, dass es Dinge gibt, die man dir bisher bewusst verheimlicht hat, dazu gehört die Existenz der übrigen Portale. Die Eingeweihten sind sich offenbar nicht sicher, wie vertrauenswürdig du bist. Immerhin bist du die sehr mächtige Auserwählte, die auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte womöglich die ganze Welt in Schutt und Asche legen könnte. Außerdem ist es diesen Dickschädeln noch immer ein Dorn im Auge, das du mit mir zusammenarbeitest. Sie glauben, dass du mir mehr vertraust als ihnen.« Nette, überhaupt nicht paranoide Familie! »Aber nach der Sache im Museum mit den Gestalten, hält man es für besser, dir wenigstens davon zu erzählen..«
    »Woher weißt du vom Museum?«, fragte ich kalt.
    »Ähm, ich nehme an, Darragh hat es gestern Abend erwähnt.« Das erklärte nicht, warum er wusste, dass ich die Gestalten gesehen hatte. Außer Alice und mir konnte das niemand wissen. »Wie viel Zeit hast du noch?«, fragte er dann, so demonstrativ bemüht, abzulenken, dass es lächerlich wirkte.
    Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die ich aus Gewohnheit heute Morgen angezogen hatte. »Etwas mehr als eine Stunde .«
    »Das könnte knapp werden«, murmelte er. Er bedeutete mir mit einer Handbewegung, schneller zu werden. Ich tat es sofort. Dennoch war i ch zu sehr eine Durands, als dass ich nicht den Drang verspürte, mich gegen das ständige Bevormunden und Vorausgehen zu wehren. Stolz galt in der Kirche als Sünde, aber jegliche Läuterung hatte bei uns

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