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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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entgegen. Die Handflächen waren verkokelt. An seinem Daumen pellte sich die weiße Haut, an zwei weiteren quollen dicke, unansehnliche Brandblasen. Alles schmerzte. Sie eine halbe Stunde in kaltem Wasser zu halten, hatte nichts daran geändert.
    »O nein, kommt der kleine Jaron mit ein bisschen Verantwortung nicht klar?«, bemerkte sie ungerührt. »Übung macht den Meister, das weißt du doch. Außerdem heilt das bald.«
    »Und das weißt du woher?«
    »Mal überlegen, woher weiß ich wohl so viel über dich? Jaron, du bist vielleicht der erste, Außenstehende, aber nicht die erste Sehnsucht, mit der meine Familie zu tun hat.«
     
    Nr. 12: Sofern Sehnsüchte nicht erfüllt oder lebensbedrohlich verletzt sind, regenerieren sie sich innerhalb weniger Stunden von allen äußeren Verletzungen.
     
    »Es ist deprimierend, wenn du mehr über mich weißt als ich. Aber es hat auch etwas …«
    »Solltest du ein Wort wie ‚anziehend es’ in den Mund nehmen, sehe ich mich gezwungen, dir das Tagebuch ins Gesicht zu werfen.«
    Er trat auf sie zu. Dass sein Lächeln dabei äußerst überheblich war, wusste er. Er wollte sie nicht länger sehen lassen, dass er Schmerzen hatte. »Darauf würde ich es ankommen lassen. Dich zu provozieren, ist einfach zu verlockend.«
    »Wenn das ein Versuch werden soll, mich davon abzuhalten, dir we hzutun, muss ich dich enttäuschen. Dafür bräuchte ich nicht einmal das Buch. Mein Trainer hat mir so einiges beigebracht …« Interessiert registrierte er den ungewöhnlich rauen Ton, als sie sprach. Dazu wich sie ihm nicht aus.
    Er lachte kurz. »O daran, meine liebe Auserwählte, zweifle ich keine einzige Sekunde. Aber die Art würde mich durchaus interessieren.«
    »Probier es aus!« Es bereitete ihm eine fremde Art von Freude zu sehen, wie sie einen Schritt auf i hn zutrat. Gesehen hatte er eine solche Reaktion schon häufiger, doch Cassim tat nichts, was andere häufiger taten. Flirten stand sehr weit oben auf einer solchen Liste.
    »Liebend gern«, erwiderte er und meinte es auch. »Ab er wir haben anderes zu tun. Oder weshalb hast du ebenfalls ein Buch dabei?«
    Vor ein paar Minuten hatte er dabei zugesehen, wie sie ein altes, schweres Buch abgelegt hatte. Das musste das Buch der Eingeweihten ihrer Welt sein.
    »I ch dachte, es könnte nicht schaden, einige Dinge abzugleichen. Und notfalls zu ergänzen. Die Eingeweihten haben erwähnt, dass die Auserwählten die wichtigsten Eindrücke hineinschreiben um somit den Nachfolgern Tipps zu geben.«
    »Sie wissen also definitiv nichts von diesem gemeingefährlichen E xemplar?« Jaron deutete mit einem der wenigen gesunden Finger auf das Tagebuch.
    »Nein, das bleibt unser Geheimnis. Wir haben eine Stunde, um uns mit den Büchern zu befassen, dann werde ich zurück müssen, um mir eine Standpauke anzuhören und Monsieur Belliers mitzubringen. Die Eingeweihten möchten noch einmal meine Fortschritte überprüfen.«
    »Schon wieder?«, seufzte er theatralisch. Er mochte es nicht, wenn ihre Aufpasser mitkamen. Immer glaubten sie, sich einmischen zu müssen und dass sie etwas Besseres seien als er.
    »Du weißt doch wie sie sind, wenn sie glauben, nicht alles unter Kontrolle zu haben.«
    Denk mal darüber nach, ob ihr euch in dieser Hinsicht nicht ähnlicher seid als du zugeben möchtest , dachte Jaron, sprach es aber nicht laut aus. »Eine Stunde sagtest du, Auserwählte? Na dann lass mal hören, was deine Vorfahren so ausgefressen haben.«
    Ohne großartig Zeit zu verschwenden, setzten sie sich auf eine der Turnmatten. Cassim legte das Buch der Eingeweihten beiseite und zog das Tagebuch heran.
    Dann blätterte sie wahllos eine Seite auf und begann zu lesen.
     
    Valladolid, 24. octubre 1483
    El primo de mi madre, Andrés Domingo, el elegido pasado, está muerto desde dos años . No quería nunca escribir en un diario.
    Yo soy Belinda, la elegida nueva.
     
    »Stopp!«, unterbrach Jaron sie.
    »Was hast du? Musst du mal für kleine Sehnsüchte, oder was?« Sie hielt den Blic k auf dem Buch; Ungeduld und Neugierde spiegelten sich in dem Teil ihres Gesichtes, das nicht verdeckt wurde.
    »Nein, du sprichst eine andere Sprache. Und dieses Mal meine ich das wörtlich. Ich verstehe kein Wort.«
    Ihre Stirn runzelte sich. Über eine Minute lang sah er ihr dabei zu, wie sie die Worte anstarrte. »Spanisch. Das ist mir nicht aufgefallen. Als ich gelesen habe, sah es nicht wie eine fremde Sprache aus.«
    Jaron blickte sie irritiert an. »Hast du denn alles

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