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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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reichen.«
    »Jaron!«, knurrte ich.
    »Was wohl dein Vater dazu sagt, dass du das alles mit Füßen trittst, weil du so versessen darauf bist, deinen Verstand über alles zu stellen.«
    Den Kopf in den Nacken gelegt, funkelte ich ihn an. »Ich schwöre dir, noch ein Wort …«
    »Ach nein, das geht ja nicht«, fuhr Jaron unbekümmert fort. »Der liebe Papi ist ja tot!«
    Der Boden unter meinen Händen bebte, bis er an manchen Stellen aufriss. Die Pflanzen senkten sich einige Zentimeter tiefer und der Fluss begann sich einen neuen Weg zu suchen. Eine Stichflamme, die aus dem Nichts erschien, ließ Jaron nach hinten taumeln. Kurz sah es so aus als würde sein Oberteil brennen, ehe er das Gleichgewicht verlor und kopfüber ins Wasser fiel.
    Offenbar unverletzt tauchte er wieder auf. Prustend und ungewohnt schwerfällig zog er sich ans Ufer. Er hatte noch keinen Boden unter den Füßen, da wurde er durch die Luft geschleudert, um erneut mit dem Wasser Bekanntschaft zu machen.
    Dieses Mal dauerte es, bis er wieder an Land kam, denn ich hatte das gesamte Ufer angezündet.
    Es tat gut, das zu tun, doch es kostete mich zusätzliche Kraft. Kraft, die ich nicht mehr hatte.
    Aus diesem Grund klangen meine Worte weniger bedrohlich als beabsichtigt: »Noch ein Wort über meine Familie und ich werde zusätzlich beide Hände auf dein Herz legen. «
    Als Jaron klitschnass und außer Atem wieder vor mir saß, war selbst sein überhebliches Lächeln verschwunden. »Interessant.« Er sah mich an, während er den Saum seines Oberteils auswrang. »Die Reaktion war stärker als ich es erwartet hatte.«
    »Du hast das geplant?«, keuchte ich.
    Jetzt war ich mir endgültig sicher, dass er an diesem Tag sterben wollte!
    Eine Spur seiner überschätzten Selbstsicherheit kehrte zurück »Es war mir klar, dass es durch starke Gefühle hervorgerufen wird.«
    »Und warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    Trotz meiner Feindseligkeit wurde sein Lächeln immer breiter. »Er stens weil du mir bei deiner Laune nicht geglaubt hättest und zweitens weil es so interessanter für mich war.«
    Ich war im Begriff darauf zu antworten, da meldete sich meine Uhr. Acht Minuten.
    Mühselig rappelte ich mich auf und taumelte. In meinem Kopf drehte sich alles. Angesichts der Tatsache, dass Jaron mich mental gefoltert hatte, hielt ich es für unnötig, mich zu verabschieden.
    Wut verschwand, Stolz blieb.
    Dennoch bestand er darauf, mich zu begleiten. Auf dem kurzen Weg zur Steinkuppel öffnete er häufiger den Mund, zwei Mal kam dabei unverständliches Gemurmel heraus, die restlichen Male überlegte er es sich anders und schwieg.
    Erst als mich nur noch wenige Meter vom Portal trennten, sah ich ihm ins Gesicht. »Die Welpenmiene ist überflüssig. Tu nicht so als täte es dir Leid.«
    »Es tut mir aber Leid. Nicht nur die Provokation, die eindeutig unter die Gürtellinie ging.« Er brauchte den Rest nicht auszusprechen.
    »Du müsstest dich nicht entschuldigen, wenn du dich nicht wie ein pubertierender Dreizehnjähriger verhalten würdest.«
    »Ich will es wi edergutmachen.« Seine Stimme nahm den rauchigen Ton vom Vortag an.
    Ja, er wand sich geradezu vor Reue, ko mmentierte der immer kleiner werdende realistisch- sarkastische Teil in mir.
    »Wer sagt, dass ich da mitmache?«, erwiderte ich.
    »Weil ich dich freundlich darum bitte. Würdest du heute Nacht noch einmal kommen? Es wird nichts Unangenehmes sein. Das verspreche ich.«
    Ich vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Die Aussicht auf seinen durchtrainierten Oberkörper, nur bedeckt von dem nassen, auf der Haut klebenden Hemd, machte es allerdings auch nicht besser. Das hatte mich doch sonst nicht interessiert.
    »Cassim. Bitte.«
    »Ich denk darüber nach.«
     
    Ich beschloss, ihm eine Chance zu geben.
    Nebelschwaden bedeckten die Landschaft, als ich nicht lange nach Mitternacht im Gras landete. Darauf bedacht nirgendwo reinzutreten, bahnte ich mir meinen Weg. Ich konnte kaum meine Hand vor Augen sehen. Die Luftfeuchtigkeit lockte meine Haarspitzen.
    Jaron tauchte ohne Vorwarnung vor mir auf. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ganz ehrlich. Ich war mir sicher, du würdest mich versetzen. Aus Verzweiflung wollte ich mich schon von diesem Felsen stürzen.« Mit leichtem Spott in der Stimme deutete er vor sich auf einen Stein, der nur eine handbreit hoch war. »Alles in Ordnung?«
    » Natürlich. Ich schätze gerade ab, wie hoch deine Überlebenschancen gewesen wären«, erwiderte ich mit

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