Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
etwa?«
»Ja.«
O heilige Mutter Gottes, genau das hatte ihr noch gefehlt!
Sein Mund war zu diesem sexy Grinsen verzogen, und sie hätte sich im Geiste in den Hintern treten können, dass sie das überhaupt bemerkte.
»Warum?«
»Um dich vor tödlichen Geländewagen zu retten, zum Beispiel.«
Fast hätte sie gelacht. »Und der wahre Grund?«
»Das letzte Mal, als wir miteinander geredet haben, hast du gesagt, ich solle mich von dir fernhalten, so ungefähr für immer.«
»Du bist unmöglich.«
»Das ist Teil meines Charmes.«
»Richtig.« Obwohl sie immer noch zitterte, machte sie sich auf den Weg, fort von der Fußgängerampel und den verbliebenen Schaulustigen, die ihr weiterhin neugierige Blicke zuwarfen. In schnellem Tempo marschierte sie an den Schaufenstern entlang und redete sich ein, dass ihr Zittern mit dem Auto zu tun hatte und absolut nichts mit Cruz. Aber natürlich belog sie sich nur selbst. Wieder einmal.
Diese Lügerei wurde ihr langsam zur Gewohnheit. Was gar nicht gut war.
Zu ihrem Entsetzen schloss Cruz zu ihr auf und ging neben ihr her. »Ich denke, jetzt sind wir quitt, oder?«
»Quitt?« Sie schüttelte den Kopf. »Es geht hier nicht ums Punktesammeln.«
»Natürlich nicht.«
Sie wollte sich nicht von ihm veralbern lassen. »Du hast mir immer noch nicht verraten, warum du mich verfolgst.« Sie dachte an das Päckchen, das sie gerade bei der Post aufgegeben hatte, und ihre Handflächen wurden feucht. Heilige Maria, sie war eine schreckliche Lügnerin. »Ich dachte, ich hätte dir klargemacht, dass wir uns nicht mehr sehen können.«
»Ich weiß, aber ich habe dich für etwas melodramatisch gehalten.«
»Na wenn schon! Ich hab’s ernst gemeint.«
»Das glaube ich nicht.«
Sie hatte vergessen, wie leicht er sie auf die Palme bringen konnte. »Glaub, was du willst«, sagte sie daher und schalt sich innerlich, dass sie ihn geküsst hatte, dass sie ihn hatte merken lassen, wie viel er ihr immer noch bedeutete. »Und lass mich einfach in Ruhe.«
Unter dem Vordach eines kleinen Bekleidungsgeschäfts blieb sie stehen und warf einen flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild in der Scheibe. Das undeutliche Abbild eines Mannes und einer Frau war zu erkennen und erinnerte an ein verschwommenes Negativ. Ein merkwürdiges Paar, und trotzdem: Da war noch mehr. Ein Aufflackern verborgener Gefühle, das ihr die Röte in die Wangen trieb. Die Intensität seines Blicks.
Die Erinnerung an einen verbotenen Kuss.
Seine Augen begegneten ihren, und ihr Herz begann zu klopfen. Sie blinzelte und erblickte noch etwas anderes in der sich spiegelnden Scheibe, etwas, das ebenso beunruhigend war wie die Wolken, die sich am Himmel ballten.
Das Abbild eines Geistlichen – eines Priesters, der eine Sonnenbrille trug. Sie erstarrte.
»Was ist?«, fragte Cruz, doch im selben Augenblick, gerade als sie näher hinsehen wollte, war das Bild des Priesters verschwunden. Sie drehte sich um und schaute Richtung Park.
»Hast du ihn gesehen?«
»Wen?«
»Den Priester.«
»Welchen Priester? Den, der dem Obdachlosen geholfen hat, als du über die rote Ampel spazieren wolltest?« Cruz’ Blick folgte ihrem.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie und überlegte, ob sie sich das Ganze vielleicht nur eingebildet hatte, aber das Bild hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt.
Wie die Nacht, die nun schon so lange zurücklag.
Sie hatte in Cruz’ Wagen gesessen, laute Radiomusik ertönte. Als wäre es gestern gewesen, erinnerte sie sich an diese letzte Nacht ihrer Jugend, an die freudige Erregung, mit ihm zusammen zu sein, etwas Gefährliches zu tun, ihrem Vater zu trotzen … Sie waren Kinder gewesen, damals, Jugendliche, und die Welt war ihnen wie ein einziger riesiger Abenteuerspielplatz vorgekommen. Ihre Zukunft schien sich endlos vor ihnen zu erstrecken.
Bis zu dem Augenblick, in dem sie das Reh im Licht von Cruz’ Scheinwerfern erblickte, das Tier, das auf seinen langen, dünnen Beinen starr vor Schreck im aufsteigenden Nebel stand, die glasigen Augen zwei reflektierende Strahler.
Eine Stimme, rauh wie Sandpapier, hatte ihr in den Ohren geklungen: »Luzifers Sohn ist der Vorbote des Todes.«
Sie hatte geschrien, die Reifen waren außer Kontrolle geraten, der Wagen hatte sich gedreht, war gegen etwas Hartes geprallt. Glas splitterte. Panik und Schmerz schossen ihr das Rückgrat hinauf …
Als sie jetzt in den leeren Park schaute, verspürte sie dasselbe Frösteln, ihre Arme wurden von einer Gänsehaut
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