Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
wusste Lucia, das Böse lauerte im Innern. Sie spürte dies so sicher, als könnte sie es bildlich vor sich sehen: düstere, kriechende Untiere mit glühenden Augen, gebleckten Lippen und reißenden, bluttropfenden Fängen.
Selbst wenn sie in der geheiligten Kapelle kniete, die Hände zum Gebet gefaltet, wollte das Böse nicht weichen, flüsterte ihr heiser ins Ohr, hauchte ihr seinen heißen Atem in den Nacken und ließ ihr Herz voller Entsetzen pochen. Es raubte ihr den Schlaf und das Gefühl von Frieden, das sie beim Beten für gewöhnlich überkam.
War sie der Grund dafür, dass das Böse durch die Mauern des Konvents sickerte? War ihr erschütterter Glaube der Grund dafür, dass es bereits zwei grauenvolle Todesfälle gegeben hatte?
Nein! Natürlich nicht! Solche Gedanken waren verrückt.
Aber war nicht gerade sie von dem Bösen erwählt worden?
War sie nicht die einzige Person, die sein abscheuliches Zischen hören konnte? Seine bösartige Stimme? War sie nicht seinen Befehlen gefolgt und dadurch auf die beiden toten Frauen gestoßen? Sie war die Erwählte, von Satan höchstpersönlich dazu auserkoren.
Die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass noch weiteren Menschen Schaden zugefügt wurde, war, diesen sicheren Hafen zu verlassen, das Zuhause, in das sie sich aus den völlig falschen Gründen geflüchtet hatte.
Wenn sie einen weiteren Beweis dafür brauchte, dass sie gehen musste, etwas Greifbareres als die Stimme, die sie nachts hörte, so war es die augenfällige Tatsache, dass Cruz Montoya sie hier ausfindig gemacht hatte.
Es war vollkommen falsch, wie sie auf ihn reagierte.
So körperlich. Und gleichzeitig mit tiefster Seele. Allein seine Nähe brachte sie dazu, ihre Gelübde zu brechen. Hatte nicht ihr Kuss, diese Begegnung ihrer Lippen, einen Schwall von Erinnerungen und damit verbunden einen Sturzbach des Verlangens zurückgebracht? War das nicht Beweis genug? Cruz Montoya war die personifizierte Versuchung.
Gefahr.
Das Wort, das sie ihm vor so langer Zeit zugeflüstert hatte.
In der ersten Nacht, in der sie die grauenhafte, zischende Stimme des Ungeheuers vernommen und seinen dumpfigen, ekelerregenden Gestank gerochen hatte.
»So … dann ist es also unbedingt erforderlich, dass wir unseren Herzen und Gelübden, unserer Bestimmung folgen«, sagte Schwester Charity gerade und richtete ihren Blick direkt auf Lucia, während sie vor der weißen Wandtafel auf und ab ging wie eine Lehrerin, die versuchte, zu einer desinteressierten Gruppe von Sturköpfen durchzudringen.
Lucia tat ihr Bestes, um andächtig zu wirken, sie durfte nicht zulassen, dass die Mutter Oberin ihre wahren Absichten erkannte.
»Wir müssen weiterleben wie gewöhnlich, genau das hätten Schwester Camille und Schwester Asteria gewollt, und es ist das, was auch der himmlische Vater will. Es bedeutet nicht, dass wir sie vergessen oder aus unseren Köpfen verdrängen werden. Es bedeutet lediglich, dass wir nach vorn blicken müssen, Gott lobpreisen, seine Arbeit hier auf Erden verrichten. Schwester Asteria und Schwester Camille sind jetzt bei der gesegneten Jungfrau Maria und unserem lieben Herrn Jesus.«
Vater Paul nickte. Er und Vater Frank traten zu ihr hinter das Pult. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Schwester Louise strahlte, als sie den jüngeren Priester ansah, was keinem entging. Schwester Devota warf Lucia einen Blick zu und schüttelte den Kopf.
Schwester Louise strahlte immer noch, als Vater Paul sagte: »Schwester Charity hat recht. Wir müssen unseren Pflichten nachgehen, Gottes Arbeit verrichten. Ob wir Kinder unterrichten, mit den Obdachlosen arbeiten oder den Kranken die Hand halten – unsere Aufgaben sind wichtig. Wir müssen zusammenhalten, dürfen keine Angst haben. Unsere Arbeit hier wird weitergehen. Wir werden uns nicht von einem Handlanger des Engels der Finsternis den Pflock der Angst ins Herz stoßen lassen.« Er blickte jeden einzelnen der im Raum Versammelten an, als forderte er sie heraus, ihm zu widersprechen.
Zufrieden, dass ihm die Aufmerksamkeit aller gewiss war, fuhr er leiser fort: »Wir werden unseren Pflichten nachkommen, und ich erwarte, dass wir alle am morgigen Abend die Auktion in St. Elsinore besuchen. Vater Thomas wird die Veranstaltung dem Andenken Schwester Camilles und Schwester Asterias widmen. Es ist eine schöne Geste, die wir von St. Marguerite zu schätzen wissen.«
Sein Blick ließ keine Widerrede zu. »Und nun«, fuhr er fort und setzte zu einem Lächeln an,
Weitere Kostenlose Bücher