Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
anfangen, uns in die göttliche Strafe hineindenken zu wollen.«
»Göttliche Strafe?«, wiederholte Maura. Zwei Krähen erhoben sich krächzend vom Dach der Kapelle. »Denkst du, es handelt sich um eine göttliche Strafe?«
»Nun, sie war … du weißt schon«, antwortete Dorothy und errötete bis zu den Haarwurzeln. »Mit Vater O’Toole …«
»Aber er ist von keiner göttlichen Strafe ereilt worden«, stellte Louise mit Nachdruck klar. Auch ihre Wangen hatten sich gerötet, und auch sie hatte sich schnell bekreuzigt.
»Noch nicht.« Angelas Stimme klang gedämpft.
Louise hatte den Kopf geschüttelt. »Er ist … er ist …«
»Er hatte ein Verhältnis mit Schwester Camille.«
»Ich weiß, aber …«
»Aber was?«, fragte Schwester Maura. »Es war alles Camilles Schuld? Tatsächlich? Mir ist schon klar, dass wir hier wie im Mittelalter leben, aber Schwester Camille ist dennoch kein größerer Vorwurf zu machen als Vater Frank. Er ist ein Priester, Louise!«
»Schsch«, sagte Schwester Irene mit ihrem leichten Lispeln und senkte den Kopf, um Louise in die Augen zu blicken. »Das nutzt doch jetzt nichts.« Sie hatte der kleineren Nonne ihre langen Finger auf die Schulter gelegt.
»Das ist richtig«, stimmte Devota ihr zu. »Wir sollten besser nicht tratschen, sondern dem heiligen Vater unsere Sorgen im Gebet mitteilen. Er wird uns zur Seite stehen und uns helfen zu erkennen, was richtig ist und was wir tun sollen.«
Maura verdrehte die Augen und strich aufgewühlt über den Rücken ihres Gebetbuchs. »Jetzt komm mal im einundzwanzigsten Jahrhundert an«, riet sie Devota.
»Und du denk an deine Gelübde«, wies die Nonne sie mit schmalen, blassen Lippen zurecht. »Wir alle haben diese Berufung erfahren, dieses Leben gewählt. Nun müssen wir es in Ehren halten.«
»Und büßen, falls wir sündige Gedanken hegen«, pflichtete Schwester Edwina finster bei. »Es gibt schließlich Möglichkeiten, Wiedergutmachung zu leisten.«
Schwester Lucy fiel das Gerücht ein, nach dem diese so anmutige, schöne Frau an Selbstgeißelung glaubte. Zumindest war es das, was Schwester Camille behauptete, und hatte nicht Lucia höchstpersönlich Edwina dabei beobachtet, wie sie spätnachts durch die Flure schlich, die Rückseite ihres Nachthemds blutbefleckt?
Die getadelte Schwester Louise hatte einen langen Seufzer ausgestoßen. Es war offensichtlich, dass sie, wie so viele andere, meinte, in Vater O’Toole verliebt zu sein. Stellte er ihnen nach, oder bildeten sie sich das nur ein?
Gleichgültig, hatte Lucia gedacht. Es war entsetzlich, wie die Ereignisse im Kloster die Gemeinschaft zu zerreißen drohten.
Für eine Sekunde hatte Lucia überlegt, ob sie den anderen von der Anwesenheit des Bösen, die sie spürte, erzählen sollte, davon, dass sie fühlte, dass der Dämon sein tödliches Werk noch nicht vollendet hatte. Doch dann hatte sie aufgeblickt und Schwester Devotas verängstigten Blick aufgefangen.
Es ist besser, du beunruhigst sie nicht noch mehr.
Es ist besser, wenn sie dich nicht für verrückt halten.
»Ich denke, wir sollten keine Mutmaßungen anstellen«, hatte Lucia gesagt.
Und Schwester Zita hatte ihr zugestimmt: »Schwester Lucy hat recht. Wir dürfen die Wege des heiligen Vaters nicht hinterfragen.« Ihre dunklen Augen waren von einer Nonne zur anderen gewandert. »Vielleicht sollten wir einfach nur beten.«
»Und zwar mit all unserer Kraft«, hatte Dorothy ernst hinzugefügt, »denn wir wissen nicht, wer die Nächste ist.«
»Vielleicht gibt es ja gar keine Nächste.« Angela hatte ihre Brille unter dem Band der Haube zurechtgerückt, ein Schweißtropfen lief ihr übers Gesicht.
Es war wirklich beängstigend.
Gleichzeitig stand das Kloster plötzlich im Rampenlicht. Vans der TV -Nachrichtensender parkten draußen vor den Toren, Reporter mit Mikrofonen drängten sich vor der imposanten Klosterkulisse und erzählten den Bewohnern von Louisiana wieder und wieder die Story von den beiden ermordeten Nonnen, schilderten das Grauen, das über die historischen Mauern von St. Marguerite hereingebrochen war.
Die Kirche selbst erlebte einen Zustrom von Gemeindemitgliedern, die aus morbider Neugier heraus die Messe besuchten, und auch die Zahl der Passanten und Fahrzeuge, die an der Kathedrale vorbeikamen, hatte zugenommen.
Die Polizeiwagen, die zu jeder Stunde an den Klostertoren vorbeifuhren, waren nicht gerade beruhigend, genauso wenig wie die zusätzlichen Schlösser vor den Türen. Denn, das
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