Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
verbrannt werden und mit ihnen die Geheimnisse, die sie enthielten.
»Du kannst doch nicht einfach in den alten Unterlagen stöbern.«
»Nicht einmal, wenn sie mich persönlich betreffen?«, flüsterte sie, während sie durch das Foyer schritten, an den Stühlen des Streichquartetts vorbei und durch die große Glastür hinaus in die Nacht.
Der Regen fiel nun stetig, der Wind hatte aufgefrischt. Slade kämpfte mit dem Regenschirm, dann machten sie sich im Zickzack auf den Weg zum Kloster, das nur wenige Blocks entfernt lag, immer wieder großen Pfützen ausweichend. Obwohl die Luft warm war, waren die Tropfen, die vom Himmel prasselten, kalt. Das Wasser lief gurgelnd die Straße hinunter und rauschte in den Gullys.
Unterwegs erzählte Val Slade, was ihr im Programm aufgefallen war und wie sie es mit Camilles Tagebucheintrag in Zusammenhang gestellt hatte. Er hörte ihr zu und schüttelte dann den Kopf.
»Du glaubst nicht, dass das etwas zu bedeuten hat?«, fragte sie.
»Etwas Wichtiges? Ich denke nicht.«
Ihr blieb nicht die Zeit für eine Auseinandersetzung, da sie soeben St. Elsinore erreichten.
Das Gebäude wurde von Strahlern erleuchtet, die die alten Steine in ein unheimliches Licht tauchten, was den Verfall noch deutlicher sichtbar machte. Louisianamoos schaukelte im Wind, Wasserspeier hielten drohend Wache über das Gotteshaus. Auf Giebeln und Fallrohren hockend, schienen die kleinen Dämonen den Strom von Menschen zu beäugeln, der sich durch die schweren Türen ins Innere von St. Elsinore ergoss.
Du bist die Nächssssste,
schien der Wasserspeier auf der Ecke zu zischen.
Es gibt keinen Ausssssweg.
»Unsinn«, murmelte Val. Sie würde sich nicht wahnsinnig machen lassen.
»Was sagst du?« Slade beugte sich zu ihr vor.
»Nichts«, erwiderte sie. Schon in den Gängen zur Turnhalle reihten sich entlang der Wände Tische mit Auktionsgegenständen, die dort bis zum Ende der mündlichen Versteigerung ausgestellt bleiben würden. Die größeren Spenden wie Reisen, ein altes Karussellpferd und der Steinway-Flügel der Wembleys würden versteigert werden, wenn die schriftlichen Gebote eingegangen waren, in ungefähr zwei Stunden.
Die Bieter waren bereits voll bei der Sache und trugen sich in die Gebotslisten ein. An jedem der Tische stand jemand von St. Elsinore oder St. Marguerite.
Schwester Simone und Schwester Georgia, die Klostervorsteherin von St. Elsinore, waren ebenfalls schon da, außerdem entdeckte Val mehrere Nonnen aus dem Chor von St. Marguerite. Schwester Maura, Schwester Devota und Schwester Zita spazierten durch die Gänge und die Turnhalle an den Ausstellungstischen entlang, nur Schwester Edwina war nirgends zu sehen. Val nahm sich vor, sich deswegen nicht zu beunruhigen, schließlich hatte sie Edwina erst vor einer Stunde im Chor gesehen.
In diesem Moment sah sie die Schwester von der Toilette kommen.
Na bitte, kein Grund zur Sorge, ihr gingen einfach nur die Nerven durch.
Sie musste sich auf ihren Plan konzentrieren.
Mehr und mehr Leute trafen ein, der Geräuschpegel stieg an, es wurde immer voller, die Menge wurde vom Auktionsfieber gepackt. Val merkte, wie sie sich verkrampfte. Wieder hier zu sein brachte ungewollte Erinnerungen an die Oberfläche, und jedes Mal, wenn ihr Blick auf Vater Frank fiel, spürte sie den Schmerz über den Verlust ihrer Schwester aufs Neue.
Mistkerl, dachte sie, als sie ihn dabei beobachtete, wie er sich vorbeugte und mit einem jungen Mädchen sprach, das mit seinen Eltern hier war. Es hatte absolut nichts zu bedeuten, aber allein die freundliche Geste des Priesters verursachte Valerie Übelkeit. Der Mann war ein Heuchler.
Als hätte Vater Frank gespürt, dass sie ihn anstarrte, wandte er sich um und fing ihren Blick auf. Sie hatte ein schleimiges, selbstgefälliges Lächeln erwartet, doch stattdessen blickte sie in gehetzte Augen, aus denen sämtliches Leben gewichen zu sein schien.
Schnell schaute Val zur Seite.
Als die Zeit für die schriftlichen Gebote abgelaufen war, sammelte das Auktionspersonal zusammen mit ehrenamtlichen Gemeindemitgliedern die Gebotslisten ein. Die meisten Gäste versammelten sich nun in der Turnhalle mit ihren hohen Decken und den freiliegenden Dachsparren. Wenn Val die Augen schloss, konnte sie den Schweiß riechen, der an den Basketballtrikots haftete, die Angst der Kinder, die Enttäuschung. Die lange zurückliegenden Erinnerungen lasteten schwer auf ihr.
Jetzt herrschte hier eine aufgeregte Geschäftigkeit, eine
Weitere Kostenlose Bücher