Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
heulend, dass sie Nonnen werden wollten! Reine Seelen! Bräute Christi!«
Sie versetzte Charity einen Stoß. »Und du hast sie aufgenommen, nicht wahr, Mutter Oberin? Jede einzelne dieser jämmerlichen Gestalten, und ganz besonders gern deine Lieblinge aus St. Elsinore. Du hast ihnen ein neues Leben gegeben, sie geleitet, ihnen den Weg gewiesen, dabei warst du die ganze Zeit über selbst eine Heuchlerin! Eine Hure, die mit einem verheirateten Mann geschlafen und ein Kind zur Welt gebracht hatte!«
»Nein!«, schrie die alte Nonne auf. Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Schnitt am Hals in den Kragen lief.
Bitte, Valerie, lauf!
Sie versuchte, Zeit zu schinden. »Ich glaube –«
»Es ist mir egal, was du glaubst, es ist doch sowieso gelogen. Und Gott weiß das!« Devota glühte vor Fanatismus.
Val machte einen weiteren Schritt zur Seite, wie um sich einen besseren Schusswinkel zu verschaffen. Mit unerschütterlicher Ruhe stand sie im zuckenden Licht der Taschenlampe, den Blick auf die kranke Frau mit dem Messer gerichtet. »Zum letzten Mal: Lass sie los.«
»Nein.«
»Dann schieße ich.«
»Das tust du nicht. Du könntest deine Mutter treffen, oder die Kugel prallt ab und tötet euch beide.« Devota zögerte für einen Augenblick und keuchte heftig, dann sagte sie: »Ich möchte euch jemanden vorstellen.«
Allmächtiger Himmel!
Devotas Stimme klang triumphierend.
Selbstgefällig.
Sie trat ein Stück von Charity fort und öffnete mit einem kräftigen Ruck einen der verschlossenen Sargdeckel.
Zu Charitys und Valeries Entsetzen stürzte eine verweste Leiche heraus.
»Du lieber Himmel!« Valerie schnappte nach Luft und sprang zurück.
Charity stieß einen markerschütternden Schrei aus. Sie starrte auf den Leichnam einer Frau. Die Haut der Frau war verschrumpelt, die Augenhöhlen schwarz und leer. Sie trug die Reste eines alten Brautkleids.
»Erkennst du sie?«, fragte Devota, an die Mutter Oberin gewandt.
O ja. Natürlich erkannte sie die Frau. Mit entsetzlicher Klarheit war Charity bewusst, dass sie auf die Überreste von Schwester Lea De Luca blickte – die Nonne, die angeblich vor vielen Jahren nach San Francisco gegangen war, von wo aus sie ihr Karten geschickt hatte.
»Es ist erstaunlich, wie einfach es ist, jemanden zu finden, der in einer anderen Stadt Post für einen aufgibt. Und du dachtest die ganze Zeit über, du wüsstest, was aus ihr geworden ist. Dachtest, du hättest ›das Problem‹ gelöst.«
»Du bist verrückt«, flüsterte Valerie. Die Pistole zitterte. »Du hast diese Frau umgebracht.«
»Ich habe sie bestraft«, korrigierte Devota. »Habe ihre Seele ins Fegefeuer geschickt. Genau wie die Seelen der anderen. Es war sehr leicht. Ich habe ihnen bloß gesagt, Vater Frank würde auf sie warten. Hier unten. Oder in der Kapelle. Auf dem Friedhof. Und sie sind in ihren netten Kleidchen darauf reingefallen.«
»Weil du sie unter Drogen gesetzt hast!«, warf Valerie ihr vor.
»Ich habe ihnen
geholfen.
«
»Indem du sie umgebracht hast?«
»Sie waren Schlampen. Huren! Sie hatten ihn nicht verdient!«
Devota war so außer sich, dass sie anfing zu zittern.
»Frank O’Toole?« Vals Lippen kräuselten sich vor Abscheu.
»Sie hatten es nicht verdient, das heilige Ordensgewand zu tragen«, tobte Devota weiter, »nicht angesichts all ihrer unreinen Gedanken, ihrer Träume, es mit ihm zu treiben. Sie alle haben bekommen, was sie verdient haben!«
»Du darfst nicht Gott spielen«, flüsterte Schwester Charity.
»Ach nein? Hast du das nicht auch getan,
Mutter,
jeden einzelnen Tag? Hast du nicht behauptet, seine Arbeit zu verrichten, uns auf den rechten Weg zu führen, obwohl du deine finsteren Geheimnisse hütetest? Ich frage mich, wie oft du dich von dem alten Kerl flachlegen lassen hast, wie oft du ihn berührt, geküsst und getan hast, was er verlangte!« Sie nahm das Messer und schnitt damit in den Stoff von Charitys Habit. Die Mutter Oberin fühlte, wie der kalte Stahl in ihre Haut drang und ihr Rückgrat hinunterglitt, wie bei einem Fisch, der filetiert wurde.
»Hör auf!«, befahl Valerie.
Aber Devota machte weiter.
Tränen füllten Charitys Augen.
Sie starrte auf die verweste Leiche.
Hilf mir, Vater. Hilf uns beiden.
Sie musste etwas tun, musste – wenn schon nicht ihre eigene schwarze Seele – ihre Tochter retten.
Ein letztes Mal nahm Charity all ihre Kräfte zusammen und stieß einen markerschütternden Schrei des Zorns, des Hasses und des Trotzes aus. Sie schloss
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