Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
sich Valerie und rief sich damit ein Sprichwort in Erinnerung, das ihre Großmutter bei mehr als einer Gelegenheit zum Besten gegeben hatte. »Schwester Charity, ich weiß, dass es eine schwere Zeit für alle Beteiligten ist.« Sie griff in ihre Handtasche und rechnete schon damit, dass die ältere Frau sie davon abhalten würde, doch die Nonne erhob keinen Einspruch, also reichte sie ihren Führerschein durch die schmiedeeisernen Gitterstäbe.
Schwester Charity musterte den unerwünschten Eindringling vor dem Tor erneut und schnappte sich dann die Plastikkarte, die sie mit zusammengezogenen Augenbrauen und aufeinandergepressten Lippen studierte, als suche sie nach irgendwelchen Anzeichen dafür, dass sie gefälscht war. Nahm die Mutter Oberin wirklich an, sie würde ihr einen gefälschten Führerschein zeigen, um sich Zutritt zum Konvent zu verschaffen? Also wirklich!
Die Sekunden verstrichen, doch Valerie ließ sich vom Schweigen der Mutter Oberin nicht beeindrucken und begegnete deren stechendem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken oder gar den Kopf abzuwenden.
»Na schön«, sagte die Nonne schließlich mit einem Seufzen. »Kommen Sie rein.« Widerwillig öffnete sie das Tor und ließ Val ein. »Wir sind von Reportern und der Polizei geplagt worden«, erklärte sie und gab Val den Führerschein zurück. Mit einem Klacken schloss sich das Tor hinter ihr, dann führte Schwester Charity Valerie über den Kiesweg durch einen üppig blühenden Garten. »Hier entlang. Sie können in meinem Büro warten. Ich habe keine Ahnung, wo Vater O’Toole stecken könnte oder wie lange er – oh!« Die ältere Frau blieb abrupt neben dem Springbrunnen in der Mitte des Gartens stehen. Um ein Haar wäre Val in sie hineingerannt.
Charity starrte in Richtung eines Bogengangs, der an das Kloster anschloss. In einer der Aussparungen stand ein großer Mann, nach vorn gebeugt, und hörte der Frau neben ihm zu.
Val drehte sich der Magen um, als sie das markante, schöne Gesicht von Vater Frank O’Toole erblickte.
Scheißkerl!
Beim Anblick dieses Heuchlers in vollem Ornat, mit schwarzer Soutane und steifem Priesterkragen musste sie sich alle Mühe geben, sich zu beherrschen.
Er war ins Gespräch mit der jungen Nonne vertieft und beugte sich jetzt noch näher zu ihr, als würde er Val oder den Mann, der am anderen Ende des Gartens an einem Wasserhahn herumschraubte, einen aufgewickelten Gartenschlauch zu seinen Füßen, gar nicht bemerken.
Auch die junge Novizin sah und hörte niemanden außer dem Priester. Gebannt sah das hübsche Mädchen mit den braunen Augen zu dem Geistlichen auf. Seine Stupsnase war mit Sommersprossen übersät, das rote Haar zu einem kurzen Zopf geflochten. Mit einem schüchternen Lächeln hielt sie eine einzelne weiße Rose in der Hand.
Valerie fürchtete, ihr würde übel werden.
»Schwester Asteria?«, flüsterte Schwester Charity gerade so laut, dass man sie nicht überhören konnte.
»Oh!« Das Mädchen zuckte zusammen, erblickte die Mutter Oberin und sprang zurück, als hätte es sich verbrannt. Es ließ die Blume fallen und zog hörbar die Luft durch die Zähne. Weiße Blütenblätter schwebten auf den Steinfußboden des Bogengangs hinab. An Schwester Asterias Fingerspitze bildete sich ein Blutstropfen, dort, wo sie sich an einem Dorn verletzt hatte. »Mutter Oberin, ich … ich habe Sie nicht gehört.« Sie saugte an ihrem Finger, während Schwester Charity, dicht gefolgt von Val, auf sie zukam, dann nahm sie den Finger wieder aus dem Mund und schluckte nervös. Mit einer raschen Bewegung griff die Novizin nach ihrem Wimpel und dem Nonnenschleier, den sie neben einem Rosenbusch auf die Erde gelegt hatte.
»Wenn du uns entschuldigen würdest«, sagte Schwester Charity. »Vater O’Toole hat einen Besucher.«
Das Mädchen errötete in einem Dutzend Schattierungen. »Natürlich. Ja … ähm … sofort.« Schnell eilte sie davon.
Valerie blickte ihr hinterher. Tief im Inneren wusste sie, dass Schwester Asteria nur ebenfalls eine verletzliche junge Frau war, die sich der Anziehungskraft von Vater Frank O’Toole, diesem Mistkerl, nicht entziehen konnte.
Ohne jeden Kommentar schritt Schwester Charity auf den Priester zu, ihr schwarzer Rock fegte über die weißen Rosenblätter hinweg. »Das hier ist Valerie Renard, die Schwester unserer Schwester Camille. Sie würde sich gern mit Ihnen unterhalten, Vater.«
Frank O’Toole richtete sich auf, doch der traurige Ausdruck verschwand nicht von
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