Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
meine überragende Intelligenz zu danken.
Wenn die nur wüssten.
Jetzt drehe ich mich wieder zum Fernseher und blicke in das gekünstelte Gesicht der Reporterin.
»Nun mach schon«, flüstere ich mit zusammengebissenen Zähnen, weil ich es kaum erwarten kann, endlich die Bilder zu sehen, die Berichte zu hören. Für die betrübten Worte der Reporterin im Gedenken an die Verstorbene fehlt mir die Geduld.
Camille, die Schöne.
Camille, die Lügnerin.
Camille, die Verdammte.
Wusste »Schwester Camille«, was Überzeugung bedeutete? Nein.
Nahm sie ihre Gelübde ernst? Natürlich nicht.
Zuletzt wurde noch ein Foto von Camille im Ordensgewand gezeigt, mitsamt Nonnenschleier. Sie wirkte fromm und hielt einen Rosenkranz zwischen den Fingern.
Welch unglaubliche Blasphemie!
Ich betrachte das engelsgleiche Bild von ihr auf dem Bildschirm und kann die Perfidie kaum ertragen. Und trotzdem will das Verlangen nicht weichen, und ich denke an ihren Körper, der sich an meinen schmiegt, die quälende, süße Wärme ihres Atems an meinem Ohr, das durchtriebene Lächeln und die Verruchtheit in ihrem Blick.
Oh, sie noch einmal zu berühren …
Ihr in Sünde beizuschlafen …
Ich schließe die Augen. Spüre ihren Atem auf meinem Gesicht. Meine Kehle wird vor Begierde staubtrocken. »Camille«, flüstere ich und balle frustriert die Faust. Ich überlege, ob ich mich geißeln soll – die glatte Peitsche mit ihren schmerzhaften Riemen –, aber nicht heute Nacht. Heute Nacht ist keine Zeit dazu.
Für den Augenblick ist das Verlangen Strafe genug.
Aber es wird noch schlimmer werden.
Der Tag der Rache wird kommen.
Ich öffne meine Augenlider und blicke wieder auf den unscharfen Bildschirm.
Der Beitrag über ihren Tod verursacht mir Sodbrennen. Ich könnte kotzen bei all den Lobliedern, die sie auf Camille singen, als wäre sie eine Heilige.
Was die höchste Gotteslästerung ist.
Sie war von einer Heiligen so weit entfernt wie Isebel.
Und genauso verführerisch.
Ihr lächelndes, glückseliges Gesicht ist eine solche Schande! Ich ertrage diese Schmach nicht länger. Zornig stelle ich den Fernseher ab.
»In der Hölle sollst du schmoren«, flüstere ich, als das Bild verblasst.
Doch Camilles Gesicht bleibt, verfolgt mich auch noch, als ich die Kerze ausblase. Ein Schmerz, so heiß wie die Feuer des Hades, zerrt an meiner Seele.
Ich höre ihr Lachen, als wäre sie noch an meiner Seite.
Aufgewühlt verlasse ich den Raum und schließe die Tür ab, in dem vergeblichen Bemühen, ihren Geist davon abzuhalten, mich weiterhin heimzusuchen.
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Kapitel sechsundzwanzig
G racie Blanc brauchte Bares. Sie war mal wieder mit der Miete im Rückstand, und dieser Widerling von Hauswart, Harold Horwood, der den Nerv hatte, sich selbst McHorny zu nennen wie eine Figur aus einer beliebten Fernsehserie, setzte sie unter Druck, indem er ihr anbot, ein Auge zuzudrücken, wenn sie ihn zu ihrem Zuhälter machte. »Du bist eine Hure, und ich habe eine Latte. Kapiert?«, fragte er und hielt sich für superclever.
Ekelhaft.
Er sah nicht mal schlecht aus mit seinen glatten, fast schwarzen Haaren und der stets gebräunten Haut, doch sein Verhalten sorgte dafür, dass sich ihr der Magen umdrehte. Sie musste sich eine andere Bleibe suchen.
All seine Versuche, ins Zuhältergeschäft einzusteigen, waren reine Zeitverschwendung. Grace war unabhängig. Sie brauchte keinen Mann, der ihre Karriere »managte«, wie McHorny so oft behauptet hatte. Als hätte sie im Leben nach nichts anderem gestrebt, als Freier zu bedienen.
Sie brauchte eine neue Wohnung und einen neuen Job. Das Problem war nur, dass das jetzige Apartment billig war. Außerdem war sie gut in dem, was sie machte. Sie würde nicht dasselbe Geld verdienen können, wenn sie in einer Bar bediente oder in einem Vierundzwanzig-Stunden-Diner Kaffee ausschenkte.
Sie schlenderte durch die Bourbon Street mit ihren flackernden Lichtern, und die Menge verschluckte sie, trotz ihrer Plateauschuhe und Hotpants. Hier, in dieser überfüllten Straße, würdigte sie niemand eines zweiten Blickes, also wandte sie sich Richtung Fluss und ging ein paar Blocks weiter, wo es weniger lärmig zuging, wo weniger Leute waren und die Polizei nicht so oft Patrouille fuhr.
Sie blieb unter einer Straßenlaterne stehen, zündete sich eine Zigarette an und machte sich auf den Weg zu ihrer Lieblingsecke. Manchmal musste sie sich das Revier teilen, was nur in Ordnung war. Sie fühlte sich sicherer, wenn sie
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