Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
zu, wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Ich hau ab. Mein Dad bringt mich um, wenn ich mit seinem Wagen in irgendwelche Schwierigkeiten gerate.«
»Feigling!« Schattengesicht war keineswegs beeindruckt, aber der Fahrer trat aufs Gas, scherte aus und hätte kurz darauf beinahe eine rote Ampel überfahren.
Gracie wollte schon aufgeben, als ein silberner Sedan, der schon ein paarmal um den Block gefahren war, erneut auftauchte. Das war ihre letzte Chance. Der Regen ruinierte ihre Frisur und das Make-up.
Der Wagen näherte sich ihrer Ecke, und ein Typ mit einer dunklen Sonnenbrille ließ die Fensterscheibe herunter. Kein Marihuana. Kein Rudel testosterongesteuerter Teenager. Keine Rap-Musik, nur das leise Gemurmel einer Radio-Talkshow.
»Lust auf ein bisschen Spaß?«
»Immer.« Sein Lächeln war rätselhaft.
Er zuckte nicht mal mit der Wimper, als sie ihren Standardpreis um zwanzig Dollar erhöhte.
Mittlerweile schüttete es. Hektisch zuckten seine Scheibenwischer über die Windschutzscheibe.
»Es muss bei mir sein«, sagte sie.
»Selbstverständlich. Ich fahre.«
Sie eilte hinten um den Wagen herum und glitt auf den Beifahrersitz. Drinnen roch es sauber, keine Spur von kaltem Zigarettenrauch, also verzichtete sie darauf, sich eine anzuzünden. Sie nannte ihm ihre Adresse, und er, der ganz in Schwarz gekleidet war und den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Hals zugezogen hatte, fuhr ruhig, ohne zu sprechen. Das Flappen der Scheibenwischer und das Zischen der Reifen auf dem nassen Asphalt untermalten das monotone Gerede im Radio. Ohne Eile erreichten sie das alte Apartmentgebäude, in dem sie wohnte. Ihre beiden Zimmer lagen im Erdgeschoss, in der Nähe des Hintereingangs. Sie stiegen aus, er schnappte sich einen kleinen Rucksack vom Rücksitz, dann trippelte sie neben ihm durch den Regen. Obwohl sie es seltsam fand, dass er seine Sonnenbrille nicht abnahm, ließ sie sich nichts anmerken. Gracie war an jede Art von Verrückten gewöhnt, manche von ihnen wollten nicht mal Sex. Sie wollten nur reden und zuschauen, wie sie sich selbst befummelte, oder was auch immer. Wenn sie in diesem Geschäft eins gelernt hatte, dann das: Es war unmöglich, im Voraus zu ahnen, was einen Freier anmachen würde.
Verdammt, im Haus stank es nach Mrs. Rubinos Spaghettisoße, die sie nach einem Rezept aus ihrer alten Heimat zubereitete, was bedeutete, dass genug Knoblauch darin war, um selbst den hartgesottensten Vampir in Schach zu halten. Der Fernseher der Alten war auf maximale Lautstärke eingestellt, der Lärm einer ihrer spätabendlichen Lieblingsspielshows hallte durch den Flur. Mrs. Rubino, fast taub und überfreundlich, um nicht zu sagen aufdringlich, war Gracies einzige Nachbarin auf dieser Seite des Gebäudes. Ihre beiden Wohnungen waren durch den Wartungsraum, den Aufzug und die Treppen zu den oberen Stockwerken getrennt.
Gracie entschuldigte sich nicht für den strengen Geruch, da sie wusste, dass er hinter ihrer Tür aufhören würde. Sie sorgte mit Duftkerzen und Räucherstäbchen stets dafür, dass ihre Zimmer nach Vanille und Moschus dufteten.
Schnell sperrte sie die Tür auf und trat ein.
Der Freier folgte ihr, und während sie die Kerzen anzündete, hörte sie, wie er seinen Rucksack abstellte und die Jacke auszog.
»Ich werde im Voraus bezahlt«, sagte sie leise und berührte mit der Feuerzeugspitze den schwarzen Docht einer großen, angenehm riechenden Wachskerze.
»Ich weiß.« Seine Stimme war tief und klang beinahe melodisch, und sie spürte eher, als dass sie es sah, wie er sein Portemonnaie zückte, öffnete und das Geld auf den kleinen Küchentisch in der Nähe des Fensters legte. Dann hörte sie, wie die Jalousien geschlossen wurden.
Sie legte das Feuerzeug beiseite. Das Ambiente war bei vielen ihrer Kunden die reinste Verschwendung, aber sie mochte das sanfte Licht und die warmen Düfte. Sie zog ihre Jacke aus und drehte sich zu ihm um. Ihr wäre fast das Herz stehengeblieben, als sie sah, dass sich ein Priesterkragen unter seiner hochgeschlossenen Jacke verborgen hatte.
»Du bist ein … Priester?«, fragte sie, obwohl ihr das im Grunde gleichgültig war. Auch die Männer Gottes waren Männer, und vielleicht war der Freier gar kein Geistlicher. Wie viele »Doktoren« hatte sie bedient, die ein Ende vom Stethoskop nicht von dem anderen unterscheiden konnten?
Er antwortete nicht, sondern zog seine Sachen aus – erst die Hose, die er ordentlich zusammenfaltete, dann Hemd und Priesterkragen. Das
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